Schattauer | Sachbuch | 2015 | 176 Seiten
Heute geht es weiter mit Teil 2 meines kleinen Exkurses ins Thema Bindungsentwicklung im (frühen) Kindesalter – natürlich in Verbindung mit Büchern zum Thema 🙂
Nach einer kurzen Einführung zur psychosozialen Entwicklung in Teil 1 geht es heute um die sichere Bindung.
Eine sichere Bindung besteht aus zwei Komponenten:
- dem Bonding: das Bedürfnis der Eltern sich emotional auf das Kind einzulassen > Schutzsystem
- dem Attachment: das Bedürfnis des Kindes sich an Bindungsperson(en) zu wenden > Sicherheitssystem
Dies gewährleistet ein stabiles Fundament für die Entwicklung der Persönlichkeit und des Urvertrauens.
Dabei spielen wesentliche Punkte eine Bedeutung:
- Feinfühligkeit der Bindungspersonen, nonverbale Signale genau zu interpretieren
- Sprachlicher Austausch: hier ist es nicht egal, über was gesprochen wird, sondern wie in angemessener Weise emotional auf den Säugling eingegangen wird, damit ein Sicherheitsgefühl entstehen kann (andernfalls bleibt das Angstsystem aktiviert). Eine Bindungsperson muss also fähig sein, eigene Gefühle nicht auf den Säugling zu übertragen, sondern sich empathisch in die Innenweltperspektive des Kindes hineinzuversetzen und dies durch Worte zu spiegeln
- Blickkontakt: Voraussetzung für die Sprachentwicklung und Empathiefähigkeit
- Berührung: elementares Bedürfnis, spielt beim Beruhigen eine wesentliche Rolle, Körpersignale des Kindes müssen aber beachtet werden (wann Berührung unerwünscht ist)
- Stressregulation und Bindungssicherheit: bleibt Hilfe bei Stress aus, wird das sympathische Nervensystem aktiviert, da aber weder Flucht noch Kampfreaktionen möglich sind beim Säugling aufgrund der Abhängigkeit, kommt es zu einer Notfallsituation im Gehirn: es kommt zu einem Abschalten bestimmter Wahrnehmungen (z. B. Gefühle), zu einem Abspalten von Synapsen im Gehirn, zu anschließender völliger Erschöpfung.
Dies kann Jahre später (die Synapsen bleiben solange inaktiv, können aber aktiviert werden, wie eine Lampe in einem Schaltkreis mit Wackelkontakt) als bleibende „eingefrorene“ Erregung wieder symptomatisch aktiviert werden.
Gerade Letzteres sollte bei der Ursachenforschung von Depressionen, Magersucht und anderen psychischen Erkrankungen nicht vernachlässigt werden (wird es aber leider oft).
Bereits ein Säugling erlebt sehr genau, ob und welche Personen ihm empathisch begegnen.
Und so zeigen sich schon gegen Ende des 1. Lebensjahres erste Anzeichen für die unterschiedlichen Bindungstypen, auf die ich dann im nächsten Teil mit einem weiteren Buch eingehen werde 🙂
Noch ein kleiner Tipp von mir: Ich folge schon seit Längerem einer (englischsprachigen), die, wie ich finde, immer sehr gehaltvolle, wertvolle Inputs zum Thema Bindung (sowohl bei Kindern, als auch bei Erwachsenen und/oder Ehepaaren) und zur Emotionsregulation gibt. Vielleicht interessiert euch das ja auch:)
Wie Bindung gut gelingt – Dr. med. Ulrike Anderssen-Reuster:
Dieses Buch stellt die verschiedenen Bindungstypen (sichere und unsichere) und deren jeweilige Auswirkungen auf die kindliche Emotionsregulation vor. Auch werden mögliche Krisen während Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett angesprochen, sowie ein kleiner Exkurs in einfacher Darstellung in die Hirnentwicklung des Säuglings.
Es ermutigt, alte Muster zu verändern, Kinder mit mehr Achtsamkeit zu begegnen, um eine möglichst stabile, sichere Bindung zu gewährleisten.
Das Buch ist nett aufgemacht, reich an farbigen Illustrationen und Fallbeispielen. Besonders schön finde ich, dass nach jedem Kapitel eine Achtsamkeitsübung vorgestellt wird, um das Stressniveau in verschiedenen Situationen zu reduzieren.
Weiter zu Teil 3: über Bindungsstörungen und Bindungstypen, Buch: „Safe“ – Karl Heinz Brisch