Stresstoleranzfenster
(Window of Tolerance)
In diesem Beitrag zeige ich dir das sog. Stresstoleranzfenster nach Dan Siegel.
Das Modell des Stresstoleranzfensters (Window of Tolerance), hat sich etabliert, um verschiedene Erregungsniveaus und Stressverarbeitungsreaktionen des autonomen Nervensystems zu veranschaulichen.
Im Folgenden findest du auch einige beispielhafte Grafiken. (s. unten)
Hier kannst du noch einmal die Funktionsweise des autonomen Nervensystems nachlesen, damit du die Grafiken noch ein wenig besser verstehen kannst.
Um unseren aktuellen emotionalen und körperlichen Zustand besser einzuordnen, Symptome und Erregungszustände zu verstehen und uns wieder (rechtzeitig) zu regulieren, kann es sehr hilfreich sein, wenn wir uns über die Funktionsweise des autonomen Nervensystems und seiner Stressreaktionen bewusstwerden.
Stresstoleranzfenster
Das Stresstoleranzfenster (Window of Tolerance) nach Daniel Siegel ist ein Modell zur einfachen Veranschaulichung nervöser Erregungszustände und Stressreaktionen des autonomen Nervensystems.
Innerhalb des Toleranzfensters empfinden wir ein Maß an Sicherheit, so dass unterschiedliche Erregungszustände (Freude, Trauer, Ärger usw.) gut gehalten werden können (Selbstregulation).
Wir können mit uns selbst und anderen im Hier und Jetzt verbunden bleiben.
Integration, Interaktion, Lernen und Verarbeitung sind ungestört möglich.
(Anhaltender) Stress führt uns außerhalb des Stresstoleranzfensters: es kommt zu Zuständen der Über- bzw. Untererregung, zu Stressreaktionen und veränderter Verarbeitung.
Die Größe des Stresstoleranzfensters, also das Maß an empfundener Sicherheit, in dem Erregung in Balance gehalten werden kann, ist individuell.
Frühe Erfahrungen prägen unser Sicherheitsempfinden und zugehörige Stressreaktionen: das grundlegende Maß an empfundener Sicherheit (sichere Bindung/emotionale Einstimmung und Versorgung/Schutzlosigkeit/Ausgeliefertsein) bestimmt die Größe des Stresstoleranzfensters.
Erregungsniveaus und Stressverarbeitung
Stressverarbeitung gelingt:
Einem regulierten Nervensystem gelingt es, gut zwischen Zuständen von Aktivität (Sympathikus) bzw. Regeneration (Parasympathikus) zu modulieren, so dass wir in Balance bleiben = optimales Erregungsniveau.
In diesem Zustand (innerhalb des Stresstoleranzfensters) können wir gut verarbeiten und lernen.
Wir können empathisch verbunden bleiben, mit uns selbst, unserem Körper und mit anderen – auch bei Gefühlen, wie Trauer, Wut usw.
Es bedeutet also nicht, keine unangenehmen Gefühle zu haben, sondern diese halten und regulieren zu können und gleichzeitig noch ein gewisses Maß an Sicherheit zu empfinden.
Zudem haben wir vollen Zugang zu unserem Sprachzentrum und zu unseren Handlungsoptionen.
Geraten wir in akuten Stress, wird der Sympathikus mobilisiert, um auf die Anforderungen zu reagieren.
Gelingt die Stressverarbeitung, leitet der Parasympathikus anschließend Regenerationsprozesse ein.
Stressverarbeitung gelingt nicht:
Wenn wir chronischem Stress bzw. Extremstress (Trauma) ausgesetzt sind oder waren und Verarbeitung nicht mehr gelingt, kann es sein, dass unser Nervensystem nicht mehr von alleine in einen balancierten Zustand zurückfindet.
Es ist dann dysreguliert.
Dann überwiegen Zustände der Übererregung (Sympathikus) bzw. Untererregung (Parasympathikus) und wir befinden uns dann überwiegend außerhalb oder am Rand des Stresstoleranzfensters.
Wenn die natürlichen Impulse zur Auflösung der Gefahr (= der Stresssituation), d.h. die Suche nach Verbindung (Beziehungssuche/ Co-Regulation), Kampf- bzw. Fluchtreaktionen nicht mehr gelingen oder vereitelt werden und es zu einer Überwältigung kommt (= „no fight, no flight“= Trauma), sprechen wir von der sog. „traumatischen Zange“.
Hierbei verändern sich auch unsere Verarbeitungsprozesse im Gehirn.
Unser Zugang zum Sprachzentrum, zu rationalem Denken und zu unseren Körperempfindungen kann dann (vorübergehend) eingeschränkt werden.
Unsere Handlungsoptionen ebenso – bis hin zu völligem Ohnmachts- und Hilflosigkeitserleben.
Diese Prozesse werden nicht willkürlich, sondern autonom gesteuert.
Unser autonomes Nervensystem ruft dann automatisch Stressreaktionen bzw. Überlebensstrategien ab.
Biologisch gesehen geht es dabei darum, sich bestmöglich anzupassen bei gleichzeitiger und höchstmöglicher Schmerzvermeidung (emotional bzw. körperlich).
In der Folge kann es bei einem dysregulierten bzw. traumatisierten Nervensystem in latenten Über- oder Untererregungszuständen auch langfristig zu Schwierigkeiten in der Verarbeitung kommen (s. Grafik)
Wichtig zu wissen: Auch der Parasympathikus kann, neben seiner Funktion für Erholung und Verbundenheit, Stressreaktionen einleiten, nämlich dann: wenn der Sympathikus nicht mehr ausreicht oder zu stark gefordert wird – als letzte Notbremse sozusagen. Dann kommt es zu einem Shift von Übererregung zu Untererregung (=sog. „Shutdown“)
Modelle unterschiedlicher Erregungsniveaus und Stressverarbeitungsprozesse
Im Folgenden findest du grafische Veranschaulichungen diverser Erregungszustände und Verarbeitungsprozesse sowie Beschreibungen der dazugehörigen Symptome oder Erkennungszeichen.
(ANS= Autonomes Nervensystem)
Wenn du mehr darüber erfahren willst, wie Stresserfahrungen, Symptome und Nervensystem zusammenhängen, schaue dir auch meine Beiträge zu den Büchern von Isa Grüber bzw. Christine Seidel an.