James Nestor
Breath – Atem
Sachbuch, Piper Verlag, 2021, 336 Seiten
Unser Atem – er begleitet uns ein Leben lang, immer.
Er versorgt unsere Lungen, unser Herz und unsere Organe und Muskeln mit Sauerstoff.
Atmen – das ist das Schlagwort, wenn es um das Thema Achtsamkeit, Meditation oder auch Yoga geht.
Und bei psychischen Belastungen beziehen mittlerweile viele Therapieformen die Atmung mit ein.
Was hat es damit auf sich, dass alle von Atmung reden, wo wir sie doch eigentlich kaum willentlich beeinflussen brauchen – schließlich macht unser Körper das doch ganz von alleine, oder? Was ist das Geheimnis dahinter?
James Nestor nimmt uns mit auf eine ganz besondere Forschungsreise.
Als er von seinem Arzt, aufgrund eigener Atemprobleme, die Empfehlung bekam, es mit einem Atemtechnikkurs zu versuchen, war er zunächst nicht begeistert. Doch dies war der Anfang einer langen Entdeckungsreise mit interessanten Erkenntnissen, an die er uns Leser:Innen nun teilhaben lässt. Denn James Nestor (mittlerweile selbst passionierter Taucher) fragte sich schon bald, wie kann es sein, dass Apnoetaucher minutenlang ohne Sauerstoff(flasche) auskommen können? Wie kann es sein, dass Menschen bei Minusgraden durchhalten, ohne Anzeichen von Erfrierungen vorzuweisen? Ist es möglich, die eigene Lungenkapazität zu vergrößern und auf den gesamten Organismus einzuwirken – einzig und allein mit unserer Atmung? Und wie können wir denn mit unserer Atmung das Immunsystem und unser psychisches und körperliches Befinden beeinflussen, unser autonomes Nervensystem, das ja nicht umsonst „autonom“ bezeichnet wird?
Seine Untersuchungen beginnen mit einem ärztlich begleiteten Selbstexperiment, ob es für unseren Körper wirklich einen Unterschied macht, durch die Nase oder den Mund zu atmen. Seine weiteren Forschungen führen ihn schließlich an die ungewöhnlichsten Orte durch alle Zeiten der Menschheitsgeschichte, von Zahnarztpraxen bis in unterirdische Katakomben, von Dokumenten über antike Ausgrabungsstätten bis hin zu alten Texten von Hinduisten und Buddhisten. Er untersucht interkulturelle Gemeinsamkeiten bei Entdeckungen sowie Unterschiede bzgl. der Einflüsse auf unsere Atmung und er führt zahlreiche Gespräche mit Menschen, die sich in irgendeiner Form mit der Atmung beschäftigen.
Das Buch ist eine wunderbar umfassende Reise in die Geschichte der menschlichen Entwicklung, die menschliche Biologie und unseren Körper!
Die knapp 270 Seiten (der Rest sind Anmerkungen zu Fußnoten) lesen sich schnell und leicht.
James Nestor erzählt, was unsere Ernährungsweise und der Akt des Kauens mit unserem Knochenwachstum und unserer Atmung zu tun hat, wie sich langsames Atmen auf unseren Organismus auswirkt, und warum weniger Atmen manchmal mehr ist. Spannend war zu erfahren, dass nicht so sehr die Menge an Sauerstoff entscheidend ist, die wir einatmen, sondern die Dauer, in der dieser im Körper verweilt und Zeit hat sich zu verteilen – und welche Rolle das Kohlendioxid dabei spielt. Dazwischen gibt es immer wieder Rückblicke zu seinem Selbstexperiment und viele Einblicke in die Erkenntnisse leidenschaftlicher Forscher im Bereich Atmung.
Natürlich finden zahlreiche Atemtechniken Erwähnung, von der Wim-Hoff-Methode über die abwechselnde Nasenlochatmung bis hin zur 4-7-8-Atmung oder der Buteyko-Atmung, und vielen weiteren, welche am Ende des Buches auch nochmal einzeln vorgestellt werden.
Ein erfrischendes Lesevergnügen, das unseren Blick auf Atmung vollkommen auf den Kopf stellt und das garantiert nicht ohne Folgen bleiben wird!
Fazit
James Nestor nimmt uns mit in die spannende Welt der Atmung und auf seine eigene Forschungsreise, die von der Antike bis in die Gegenwart reicht: mit interessanten Erkenntnissen, wie wir unsere Lebensqualität allein mit etwas beeinflussen können, das wir ja sowieso schon täglich tun und auf eine Art, die beim Lesen ungemein Lust darauf macht, mit der eigenen Atmung auf Entdeckungsreise zu gehen!