Traumareaktionen sind normale Reaktionen
auf unnormale Ereignisse.
Traumaerfahrungen bedeuten, dass wir etwas erleben, das unsere individuellen Bewältigungs- und Verarbeitungsmöglichkeiten übersteigt. Das müssen nicht immer offensichtlich bedrohliche, schwerwiegende Ereignisse sein.
Wenig bekannt ist, dass dazu auch bedrohliche Erfahrungen als Kind zählen können, etwa wenn z.B. äußere Umstände die überlebenswichtige Bindung unterbrechen oder wenn unsere kindlichen Grundbedürfnisse nach Nähe, Sicherheit, feinfühliger Einstimmung, Integrität, Autonomie und Grenzwahrung von den Bindungspersonen nicht angemessen und zuverlässig gestillt wurden, wir uns im Kontakt mit den wichtigsten Bindungspersonen generell oder zeitweise ohnmächtig, (emotional) unzuverlässig versorgt oder ausgeliefert erlebt haben.
Das hat Auswirkungen darauf, wie wir uns selbst, die Welt und unsere Beziehungen später erleben. Wenn unsere natürlichen Bewältigungs- oder Lösungsversuche, d.h. Beziehungsversuch, Kampf- bzw. Fluchtreaktionen – versagen, verhindert oder vereitelt werden, hat das Auswirkungen auf unseren Organismus. Unser Stoffwechsel verändert sich, unser Nervensystem gerät in einen dysregulierten Zustand und unsere Verarbeitungsprozesse und Hirnaktivität verändern sich.
Das kann bedeuten, dass wir in der Trauma- bzw. Hochstresssituation unseren Organismus nicht mehr willkürlich steuern können, uns nicht mehr wehren können oder uns im Nachhinein Worte fehlen, darüber zu reden, dass wir nur bedingt aufnahmefähig sind oder Verhaltensweisen entwickeln, die in erster Linie dem Schutz dienen. Es bilden sich neue neuronale Netzwerke, die stark in eine Anpassungsleistung gehen und dem Schutz vor überwältigenden Gefühlen, dem Schutz vor weiterer Verletzung oder der Aufrechterhaltung einer existentiell notwendigen Bindung und dem Überleben dienen.
Unsere Traumareaktionen und Symptome sind natürliche psychophysiologische Antworten unseres Organismus’ auf überwältigende Erfahrungen.
Unser Nervensystem und unser Bindungssystem sind biologisch darauf ausgelegt, automatisch in Anpassungsleistung zu gehen und neue neuronale Netzwerke zu bilden, wenn Situationen unsere individuellen Bewältigungsmöglichkeiten übersteigen.
Dazu zählen nicht nur offensichtlich bedrohliche, schwerwiegende Ereignisse, sondern auch, wenn unsere kindlichen Grundbedürfnisse nach Nähe, Sicherheit, feinfühliger Einstimmung, Integrität, Autonomie und Grenzwahrung von den Bindungspersonen nicht angemessen und zuverlässig gestillt wurden.
Unser Organismus kennt die unterschiedlichsten Strategien, die doch immer aus der Sicht des Nervensystems und des Bindungssystems Sinn ergeben.
Wir entwickeln Überlebensstrategien, die uns helfen, psychisch und physisch mit der Situation umzugehen.
Um die Bindung zu erhalten.
Um uns zu schützen vor weiterer Verletzung.
Um uns zu schützen vor überwältigenden Gefühlen.
Um unterbundene Lösungsversuche im Nachhinein zu vollenden.
Symptome müssen nicht immer zeitnah auftreten. Unser Organismus kann lange kompensieren.
Doch wenn wir dann merken, dass wir nicht „normal funktionieren“, dann beginnen wir oft an uns selbst zu (ver-) zweifeln. Stellen uns in Frage.
Schämen uns für unsere Symptome.
Oder verurteilen uns dafür.
Dafür, dass wir es nicht besser oder anders bewältigt haben, dass wir zu schwach waren, uns nicht gewehrt haben, dafür, dass wir so sind wie wir sind.
Vielleicht entwickeln wir sogar Schuldgefühle deshalb.
Doch in unserem Organismus ergibt alles Sinn. Er hat so gehandelt, dass es unserem Schutz, unserer Rettung, unserem Überleben diente.
Unsere Traumareaktionen und Symptome sind die natürlichen psychophysiologischen Antworten unseres Nervensystems und Bindungssystems auf überwältigende Erfahrungen.