Sowohl als auch
statt entweder/oder.
Manchmal glauben wir, erst dann liebenswert zu sein, erst dann wertvoll sein zu können, wenn sich alle schwachen Punkte oder unsere Defizite aufgelöst haben.
Wir glauben, dass wir erst „fertig“ sein müssen mit unserem Prozess, bevor wir dies oder das tun können. Manchmal erwarten wir das nur von uns selbst, manchmal auch von anderen. Doch das Leben ist ein ständiger und fortlaufender Prozess, zu dem Aufs und Abs mit allen Facetten an Gefühlen gehören, besonders, wenn wir es lebendig leben wollen!
Widersprüche und Ambivalenzen zu akzeptieren, ist nicht immer leicht. Wir wollen oft, dass das Unerwünschte „weggeht“ und nur die „schöneren Seiten“ bleiben. Doch das würde bedeuten, dass ein Teil von uns selbst verschwinden würde, ein Teil, der vielleicht einfach noch etwas braucht, um zu heilen, um wachsen zu können. Vielleicht sind die ressourcenreichen Anteile ja auch umso stärker, gerade weil sie an unseren Erfahrungen gewachsen sind.
„Sowohl als auch“, das Raum-öffnen für widersprüchliche Gefühle oder Wünsche, kann den Druck heraus nehmen, es kann ermächtigen. Allen Anteilen, den geliebten und weniger geliebten, den starken und den verletzlichen, Raum zu geben, die Möglichkeit sich zu zeigen, da sein zu dürfen, kann in kreativere Prozesse bringen, statt zu limitieren. Denn so kannst du dich selbst besser kennenlernen, nachnähren, dir selbst vielleicht die Person sein, die dich mit Wohlwollen betrachtet. Vielleicht siehst du dich dabei das erste Mal mit ganz neuen Augen, entdeckst Facetten an dir, die dir bisher verborgen waren.
Wir müssen nicht am Ende des Weges angekommen sein, um uns vollwertig fühlen zu können, um uns selbst anzunehmen, um Freudiges oder Ressourcen leben und genießen zu dürfen, um teilhaben zu können. Wir müssen nicht erst am Ende des Weges sein, um Mitgefühl und Verständnis für uns selbst zu verspüren, nicht erst alle unerwünschten Teile verbannt haben, bevor wir uns selbst mit Wohlwollen begegnen können. Bevor wir für unsere Würde einstehen und für uns selbst auch Wertschätzung, Respekt, Empathie und Begegnung auf Augenhöhe, frei von Abwertungen und Demütigungen, von anderen einfordern dürfen.
Und es ist ok, was du fühlst.
Manche Anteile von dir sind anderen in dir voraus, manche von dir sind anderen Menschen voraus, manchmal sind andere Menschen dir voraus.
Und jedes Tempo ist anders, denn jede Geschichte ist anders.
Potential entsteht da, wo es Raum für Beides gibt, das Ressourcenreiche und das Verletzliche, das Versehrte.
So kann es sich wandeln.
So entsteht Containment, so entsteht Präsenz, so wächst Potential – im Pendeln zwischen Beidem.
Wandeln ist ein Prozess.
Und auch Ressourcen sind bereits Teil der angestrebten Lebensqualität – im Hier und Jetzt.
Sowohl als auch.
Statt entweder/oder.