Franka Frei
Periode ist politisch
Sachbuch, Heyne, 2020, 272 Seiten
„Die Periode existiert. Und wir alle existieren nur wegen der Periode.“
(S. 14)
Franka Frei beschäftigte sich im Rahmen ihrer Bachelorarbeit ausführlich mit dem Thema „Tabu und Menstruation“.
Im gleichen Zuge ging ein facebook-Post von ihr dazu viral, so dass ein Stein ins Rollen kam: zahlreiche Reaktionen von Menstruierenden aus aller Welt über ihre Erfahrungen zeigten, dass das Thema noch viel zu wenig Aufmerksamkeit erhält und viel Unwissenheit in der breiten Öffentlichkeit darüber herrscht.
So eröffnete sich für Franka Frei auf ungeahnte Weise ein Weg hin zu einer kulturellen und politischen Forschungsreise.
Eine Reise, deren Ergebnis dieses Buch ist, die aber hier noch nicht zu Ende ist, denn heute sieht sich Franka Frei als Menstruationsaktivistin und setzt sich engagiert für die Rechte von Frauen und Minderheiten bzw. gegen Diskriminierung und Unterdrückung ein.
Sie reiste z.B. nach Indien, Pakistan und Nepal und sprach mit zahlreichen Menschen über die Probleme, die das Tabuisieren und Mystifizieren des Zyklus mit sich bringt, doch sie entlarvt auch die (großen) Schwachstellen in unserer westlichen ( „fortschrittlichen“ Welt), denn auch hier sind wir längst nicht so weit, wie es scheint, wie es gut wäre, um sich mit dieser intelligenten Körperfunktion offen und frei fühlen zu können und ohne Tabus oder Stigmatisierung darüber zu sprechen.
„Mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung hat einen Menstruationszyklus, hatte mal einen oder wird mal einen haben.“
(S. 21)
Und doch wissen nach wie vor viele Menschen, geschlechtsunabhängig, nicht einmal genau, was denn bei der Periode im Körper passiert oder gar, dass es sich bei der Monatsblutung unter der Einnahme der Pille gar nicht um eine „echte“ Regelblutung handelt, sondern diese dem Körper und dem Empfinden nur vorgegaukelt wird (ja, die wöchentliche Einnahmepause dient vor allem dem Zweck des „Richtigkeits-Empfindens“ mit dem eigenen Körper sowie der Wirtschaft. Für den Körper stabilisierender wäre eine durchgehende Einnahme, wie auch bei Sheila de Liz s.u. nachzulesen ist).
Es geht also nicht um individuelle Regelschmerzen, sondern um den gesellschaftlichen Umgang mit einem natürlichen Vorgang, der zu Scham, Ausgrenzung, Diskriminierung bis hin zur sozialen Ächtung führt, und das nicht nur in vermeintlich rückständigen Entwicklungs- oder Schwellenländern.
Überall auf der Welt halten sich Mythen und Aberglaube, falsche, aber weit verbreitete Vorstellungen vom Zyklus, vom Wesen der Frau und geschlechterspezifische Vorurteile.
Es geht um Kultur und Wissenschaften, Bildung, Gesundheit, Umwelt und Wirtschaft.
Es geht um eine globale Ungleichheit, die sich im Thema Periode widerspiegelt.
„Wenn es um männliche Potenz geht, wird auch nicht mit Andeutungen, Symbolen und Stolz gespart (dabei haben gerade Menstruierende den sprichwörtlichen „roten Ferrari“ in der Garage).“
(S. 37)
Doch nach wie vor wird die Periode als ekelhaft oder peinlich wahrgenommen, aus religiösen Gründen sogar auch assoziiert mit dem Status der „Unreinheit“.
Es gibt, kulturell bedingt, für Menstruierende traditionelle Kleidungen, Regelungen und Orte.
Nur wenige Kulturkreise feiern das Einsetzen des Zyklus.
Von der Antike, über die großen Welt-Religionen, Schriften der Aufklärung bis in die Neuzeit bleibt die Menstruation überwiegend mit einem Negativ-Image behaftet. Der Grund ist unsere Sozialisation in einer patriarchalischen Welt.
Wir haben gelernt: die Periode soll vor allem eins bleiben: unsichtbar.
Da flüstern sich Mädchen heimlich zu, um nach einem Tampon zu fragen, Ausreden werden erfunden, wenn die Schmerzen das Arbeiten unmöglich machen, Periodenprodukte werden mit penetranten Duftstoffen versetzt, usw.
Da ist eine große Angst, öffentlich „auszulaufen“ und in der Folge ausgelacht oder beschämt zu werden.
Auch die Werbung stützt dieses ungeschriebene Gesetz der Geheimhaltung: so werden Worthülsen und Umschreibungen verwendet, ohne auch nur jemals ein konkretes Wort für die Periode zu nutzen, da wird blaue sterile Flüssigkeit verwendet (doch genauso groß war übrigens der Beschwerdeaufschrei der Bevölkerung, als eine Werbefirma es wagte, diese einmal durch rote Flüssigkeit auszutauschen).
Das Bild das zudem gezeichnet wird, ist verzerrt und lautet so: die moderne Frau ist während der Periode unbeschwert, makellos, überaus leistungsfähig und permanent voll in ihrer Kraft.
Dabei handelt es sich bei einem solch zyklischen Vorgang wie der Periode, wie es generell in allen Kreisläufen der Natur zu beobachten ist, vielmehr um einen stetigen Fluss aus Aktivierungs- und Ruhephasen.
Kein Wunder, wenn dann schon junge Menschen mit einem fehlgeleiteten Bild vom Menstruationszyklus und dem eigenen Körper aufwachsen und verlernen, feine Signale ihres Körpers wahrzunehmen, ja, ein verzerrtes (negatives) Verhältnis zum eigenen Körper entwickeln oder ihn sogar ablehnen und sich dann auch noch schlecht und voller Scham fühlen, weil er sie zur Ruhe zwingt und sie nicht von Energie überfließen.
Periodenprodukte sind ein großer Wirtschaftsfaktor und bis vor kurzem war darauf (im Gegensatz zu z.B. Langstreckenflügen) der Mehrwertsteuersatz eines Luxusproduktes zu zahlen (während gleichzeitig menstruierende Personen im Schnitt ein geringeres Einkommen haben.)
Während ihr Fehlen (und auch entsprechende Entsorgungsmöglichkeiten) in manchen Ländern ein großes Ungleichheitsproblem darstellt, in dem es z.B. Mädchen davon abhält zur Schule zu gehen, und damit ihren weiteren Werdegang beeinflusst, nutzen das die Firmen, um Profit zu schlagen.
Dabei ist die ausschlaggebende Motivation nicht unbedingt, Unterdrückung zu beenden.
Ausgehend von einer unternehmensstrategischen Sichtweise bleiben oftmals die kulturellen Wertvorstellungen der Angesprochenen unbeachtet.
Und generell bleiben auch Umwelt- und Müllproblematiken auf der Strecke – das Interesse nachhaltige umweltfreundlichere Alternativen (wie z.B. Menstruationstassen) zu bewerben, ist vergleichsweise gering, obwohl die Produkte schon mehrere Jahrzehnte bekannt sind – genauso wie auf gesundheitliche Aspekte aufmerksam zu machen, die durchaus nicht unbedenklich sind (z.B. chemische Bleichung oder Duftstoffe und andere zweifelhafte Inhaltsstoffe).
„Sexismus und jede andere Form von Diskriminierung als strukturelle Probleme sichtbar zu machen, funktioniert nur dann, wenn wir anfangen, darüber zu reden.“
(S. 232)
Fazit:
Franka Frei zeigt in ihrem Buch „Periode ist politisch“ gnadenlos auf, dass das Tabuisieren und Mystifizieren der Menstruation und allem was damit zusammenhängt, zu finanzieller und sozialer Ungleichheit beiträgt und zwar weltweit.
Fehlendes Wissen, Stigmatisierung und patriarchale Strukturen führen dazu, dass sich hartnäckig ein falsches, negatives Image vom Zyklus hält und die damit einhergehenden Beschwerden ins Lächerliche gezogen werden oder gar Beschämung und Ausgrenzung zur Folge haben.
Franka Frei plädiert für ein Umdenken im Umgang damit, angefangen mit einer klaren Sprache und tabulosen Kommunikation, hin zu einer geschlechterunabhängigen Aufklärung, um Ängste und Vorurteile aus der Welt zu schaffen.
Sie plädiert für eine Entmystifizierung dieser intelligenten Körperfunktion und dafür, auch in der Öffentlichkeit andere Wege zu gehen: es bedarf sowohl einer Korrektur des bestehenden Narrativs in der Werbung und in der Gesellschaft, als auch ein engagiertes Handeln in Politik und Wirtschaft, genauso wie ein Neudenken bezüglich der Nachhaltigkeit von Periodenprodukten.
Auch der Gesundheitsaspekt auf mehreren Ebenen rund um den Zyklus – in Sachen hormonell bedingte Schwankungen in der Medikamentenwirkung, Verhütung und Periodenprodukte – darf mehr in den Fokus rücken.
Es geht um Chancengleichheit, Freiheit und Selbstbestimmung.
Und wenn du nun denkst, ein ganzes Buch über die Periode – das könnte langweilig werden oder nur etwas für Frauen sein, dann lass dir gesagt sein: dieses Buch ist äußerst unterhaltsam, informativ und spritzig zugleich geschrieben und geht alle etwas an!
Denn wie oben schon gesagt:
„Die Periode existiert. Und wir alle existieren nur wegen der Periode.“
Buchtipp:
Sheila de Liz „Unverschämt“
(Rowohlt, 2019, 368 Seiten)
Ein Buch das wunderbar leicht und charmant aufklärt und wirklich Spaß macht zu lesen!
Hallo Kathrin,
was für eine tolle Rezension und was für ein wichtiges Buch! Das werde ich mir gleich mal notieren. Danke, für den Tipp.
Ich lese gerade „Sie hat Bock“ von Lewina. Das ist auch große klasse und gleichzeitig erschütternd, wenn einem die Tabus klar gemacht werden.
Liebe Grüße
Petrissa
Dankeschön, liebe Petrissa <3