Penguin Verlag | Sachbuch | 2019 | 254 Seiten
Vor einiger Zeit habe ich euch bereits ein Buch über das Ökosystem unserer Meere vorgestellt.
Heute soll es um das Ökosystem der Wiese gehen.
Es ist schon etwas her, da hörte ich im Podcast des Penguin-Verlag (s.u.) ein Interview mit Jan Haft zu seinem Buch „Die Wiese“.
Der Autor und Filmemacher war mir bis dahin nicht bekannt. Aber seine Faszination für die Natur und insbesondere für unsere heimischen Wiesen sprang sofort über – und machte auch mich neugierig noch mehr über diesen Lebensraum so vieler Tiere, Insekten und Pflanzen zu erfahren.
Nun habe ich auch endlich das Buch lesen können!
Der Autor und seine Faszination für die Natur
Jan Haft ist schon seit seiner Kindheit fasziniert von der Natur und immer wenn es möglich war, zog es ihn hinaus auf Wiesen und in Wälder und ins Unterholz, um sich mit Staunen und Leidenschaft allem zu widmen, was es dort zu entdecken gab: von Insekten über Reptilien, Vögel und Spinnen, Raupen und Schmetterlingen, Grashüpfern und Fröschen: diese Welt war für ihn eine niemals endende Forschungs- und Entdeckungsreise.
Dass das bis heute noch der Fall ist, wobei das Interesse mittlerweile um die Flora erweitert wurde – merkt man ihm auch an: wenn man ihm zuhört im Podcast oder sein Plädoyer für die Wiesen liest (vermutlich auch bei seinen Filmen, über die ich auch schon viel Lob gehört habe, die ich aber noch nicht kenne): Jan Haft gelingt es, sein Gegenüber für die verborgenen Schätze direkt vor unserer Nase aufmerksam zu machen und das oft als selbstverständlich Wahrgenommene (oder leider auch mittlerweile oft Vergessene) wieder in ein Blickfeld zu bringen, das von Achtung und Neugierde, von Staunen über die Schönheit und Vielfältigkeit vor unserer Haustür geprägt ist.
Wer sich die Mühe macht, wird einen ungeahnten Farben- und Formenreichtum entdecken.
Wie geht es unseren Wiesen?
Die Vielfalt nimmt rasant ab.
Mittlerweile sind lediglich zwei Prozent unserer Landesfläche noch Wiesen – in den letzten Jahrzehnten wichen immer mehr Grünflächen der Nutzung als Ackerland.
Dies hat nicht nur zur Folge, dass immer mehr Insekten weniger Blüten für ihre Pollen finden, oder auch Vögel ihre Brutstätten verlieren und viele weitere Tiere ihren Lebensraum für Nahrungssuche, Paarung aufgeben müssen, sondern auch ganz konkret, dass viele Arten so nicht mehr überleben können und auf der roten Liste vom Aussterben bedrohter Tiere oder Pflanzen landen.
Die industriell geführte Landwirtschaft hat hier einen großen Einfluss und bei manchen Vogelarten wurde bereits ein Bestandsrückgang um bis zu 90% verzeichnet.
Eine einzige Mahd mit einer Maschine vernichtet pro Hektar z.B. ca. 90.000 Bienen.
Durch die hohe Frequenz des Mähens, durch zu frühe Mahd (z.B. vor der Brütezeit, vor der Aussamung von Pflanzen), durch kleine, eng begrenzte Wiesen die ringsherum umgeben sind von Ackerland, das bis zur Straße hin grenzt, können sich viele Populationen einfach nicht mehr halten oder weiterverbreiten.
Sind sie einmal ausgestorben auf einer Wiese, bedeutet das also nicht unbedingt, dass sie auf einer anderen Wiese weiterleben können.
Einerseits brauchen viele Lebewesen ein Mischverhältnis aus Wald, Wiese und Ackernähe bzw. eben keine scharfe Trennung, wie wir sie heute weitgehend haben.
Zumal sich in der Regel auch, wenn man die Natur sich selbst überlässt, eher Wald als Wiese ausbreitet (da die Samen einfach weiter fliegen und z.B. große Pflanzen auf Dauer kleinere durch zu viel Schatten verdrängen).
Andererseits ist es auch keine Lösung, eine Wiese einfach sich selbst zu überlassen, denn es braucht auch eine regelmäßige Mahd (ca. 2x im Jahr). Früher übernahmen diese Aufgabe größere Tiere, wie z.B. Auerochsen oder anderes Weidevieh.
Die Einschränkung durch die moderne Landwirtschaft führt immer mehr zu einem Verlust eines gesunden Zusammenspiels von großen und kleinen Tieren und Pflanzen für ein ausgewogenes Ökosystem, das sich selbst erhält und reguliert.
Hinzu kommen Düngemittel und der Gebrauch von Pestiziden oder Insektiziden und durch das Ausfahren von (zu viel) stickstoffhaltiger Gülle auf unsere Böden kommt das natürliche Gleichgewicht zusätzlich aus der Balance. Denn die Überlastung mit Giften aus Schädlingsbekämpfungsmitteln sowie (reaktiven) Stickstoff(verbindungen), betrifft am Ende nicht nur die Böden, auf denen angebaut wird – und damit die Möglichkeiten für mehr Vielfalt und den zukünftigen Anbau von Lebensmitteln – sondern breitet sich durch Regen und Grundwasser im Grunde genommen weiter aus (und im gleichen Zuge gibt es immer weniger Moore und Pflanzen, die noch als C02-Speicher dienen können).
Ein Verlust von Wiesen ist also gar nicht so unbedeutend, wie es vielleicht auf den ersten Blick scheinen mag, bedeutet also nicht nur, dass es für die Insekten oder für unser Auge einfach weniger Vielfalt gibt, sondern ist auch immer ein Zeichen dafür, dass wir auch unsere eigene Lebensmittelversorgung und Gesundheit ganz konkret aus den Augen verlieren!
Das Buch:
Jan Haft erzählt immer wieder in kleineren Episoden aus seiner Kindheit und seinem Erwachsenenleben, wobei seine Verbindung zur und seine Liebe für die Natur offensichtlich werden.
So gibt er uns einen Einblick in ein Ökosystem, bei dem mehrere tausend Pflanzen- und Tierarten, die sich über viele Millionen Jahre entwickelt haben, oftmals aufeinander abgestimmt, aufeinander angewiesen, teils in Symbiosen, miteinander leben.
Er macht die Zusammenhänge von Flora und Fauna und moderner Landwirtschaft deutlich und geht dabei auf die Entwicklungsgeschichte der Wiesen und Wälder über viele tausende Jahre ein. Wir erfahren einiges über die verschiedenen Wiesentypen und über ihre Bewohner. Die Faszination des Autors für bestimmte Arten, wie Schlangen oder Orchideen, gewisse Schmetterlinge oder Heuschrecken kommt ebenso zur Sprache, wie der Löwenzahn, einer der wenigen Nutznießer des überhöhten Stickstoffgehalts in Böden und der modernen Landwirtschaft, dem ein eigenes Kapitel gewidmet ist.
Ich konnte viel lernen aus diesem Buch, über kleinere Tierarten (ja, ich wurde richtig neugierig, mir die unterschiedlichen Vogelgesänge anzuhören und lernte nochmals die genaueren Kategorisierungen mancher Käfer- oder Heuschreckenarten), vor allem aber finde ich einfach immer wieder erstaunlich wie sehr alles miteinander zusammenhängt auf unserer Erde und das kein Ökosystem für sich allein und getrennt von anderen gesehen werden und existieren kann.
Jan Haft wendet sich am Ende des Buchs noch möglichen Lösungen zu, die er allerdings weniger im einzelnen Verbraucher und seinen Kaufentscheidungen sieht, als vielmehr darin, dass er ein Umdenken in größerem Stil fordert, ein Umdenken, das auch auf politischer Ebene stattfinden soll: für den Schutz von Wiesen braucht es Landwirte, die naturverträglicher wirtschaften. Dies kann allerdings nur dann umgesetzt werden, wenn die Prämienzahlungen revolutioniert würden und sich generell am Preismarkt etwas ändere. Denn auch Landwirte müssen leben können – und so bringt er viel Verständnis für die ökonomischen Zwänge der Landwirte auf.
Abgerundet wird das Buch durch einen farbigen Bildteil.
Fazit
Das Buch ist ein leidenschaftliches Plädoyer für unsere heimische Natur, ein Augenöffner für die kleinen Wunder um uns herum und ein ganz sanfter Weckruf, achtsam für unsere Erde zu werden!
Denn, wenn wir weiterhin dem Wispern, Zwitschern, Summen und Brummen, den Vogelgesängen am Morgen, den Konzerten der Grillen an lauen Sommerabenden lauschen werden können, die bunten Farben der Schmetterlinge, Pilze und Blumen bewundern und den Duft von Sommerwiesen und -blumen einatmen können, dann bedeutet dies nicht nur, dass es den Tieren und Blumen gut geht, sondern dann hat es auch etwas mit uns zu tun!
Dann erhalten wir auch uns ein Zuhause, einen Lebensraum und die Freude über die Schönheit unserer Erde und unseres Leben!
Podcastliebe <3
Hier findet ihr die oben erwähnte Podcastfolge vom Penguin Verlag: „Die Wiese“
Buchtipp:
Wenn ihr noch mehr über den Verlust der Biodiversität erfahren wollt, dann empfehle ich euch „Das große Insektensterben“ zur Vertiefung!
Hier findet Ihr meine Rezension dazu.
Das Buch finde ich echt interessant und werde danach in der Bibliothek fragen. Ich finde es nämlich wichtig, sich in der Hinsicht zu bilden. 🙂
Liebst Elisabeth-Amalie von Im Blick zurück entstehen die Dinge
Liebe Elisabeth-Amalie, ich freu mich immer, dass du mich hier so oft besuchst! Ich finde es auch super, dass du auch momentan vermehrt auf das Thema Nachhaltigkeit auf deinem Blog hinweist und einiges vorstellst, was wir für unsere Umwelt tun können! <3 Liebe Grüße!