Ullstein Buchverlage | Belletristik, Humor | 2017 | 384 Seiten
Herrlich – fand ich dieses Buch!
Nicht so herrlich – die Vorstellung, das Szenario könnte Realität werden …
Dieses Buch ist ein Must-Read für alle, die sich mit digitalen Medien beschäftigen und ein Faible haben für technisierten Fortschritt!
Willkommen in Qualityland!
*Willkommen in Qualityland!*
Bist du Single und suchst einen Partner? Dann findet Quality-Partner garantiert die am besten zu dir passende Person!
Siehst du gerade einen Film und entdeckst ein Mode- oder Möbelstück darin, dass du unbedingt haben musst? Ein Klick – und das System bestellt es dir sofort (ohne dabei zu vergessen, dir auch gleich noch die passenden Accessoires dazu vorzuschlagen!)
Hattest du einen schlechten Tag? Oder weißt noch nicht, genau, für was du dein Geld am Besten ausgeben sollst? Kein Problem, denn „TheShop“ weiß bereits davon und kennt jeden Wunsch von dir, bevor du überhaupt davon träumst. Und liefert dir das selbstverständlich umgehend nach Hause – per Drohne, die auf Wunsch natürlich auch gleich ein „Unboxing-Video“ macht und bei „Everybody“ für dich ins Netz stellt! (Aber bitte die Bewertung danach nicht vergessen, wenn du zufrieden warst!)
Du kennst „Everybody“ nicht? Naja, auch nicht schlimm. Denn obwohl eigentlich schon die meisten Leute dabei sind, um sich mit ihren Freunden zu vernetzen, kann die Social-Plattform auch für die, die noch nicht angemeldet sind, posten! Dank der Datensammlung weiß sie natürlich genau, wo du dich gerade aufhältst und was bei dir gerade so Up-To-Date ist! Das spart Zeit und du musst dir also nie wieder Sorgen machen, ob du vielleicht den Anschluß verlierst und: sie hält auch gleich den Kontakt zu Freunden für dich aufrecht!
Einen Haken hat die Sache allerdings auch: denn weil Qualityland das Beste von allem bietet, während sich in den Quantityländern die Terroristen breitmachen, strömen die ganzen Flüchtlinge hierher, die halt immer Probleme machen müssen …
Ohne sie gäbe es ja eigentlich keine, denn Maschinen machen ja bekanntlich keine Fehler!
Optimierung ist das Stichwort!
Wäre es nicht genial, wenn man die Zukunft ganz einfach berechnen könnte? Wenn alles messbar und quantifizierbar wäre, wen interessiert da noch die Vergangenheit, das Reflektieren übernehmen die Apps für uns und hinterfragen ist auch nicht mehr nötig. Denn wenn per Kameras, Drohnen, Apps und im Netz alle unsere Schritte registriert und daraus persönliche Profile generiert werden, wird unsere Zukunft absolut perfekt und verlässlich gestaltet.
Smart Homes, das IOT, Androiden und KI’s: sie alle sorgen dafür, dass wir immer zur rechten Zeit am rechten Ort mit den richtigen Ratschlägen und Dienstleistungen und korrekten Entscheidungen umgeben sind. Durch Bewertungen sämtlicher Services kannst du dazu beitragen das System zu verbessern, mit zusätzlichen Treuepunkten und –prämien von Firmen kannst du das Beste für dein Leben rausholen!
Paradiesische Zustände oder alptraumhaftes Szenario?
Peter Arbeitslos wohnt in Qualityland und muss sich mit genau diesen Fragen auseinandersetzen.
Mehr will ich vom Inhalt aber gar nicht vorwegnehmen, weil die Story für sich selbst wirkt!
Marc-Uwe Kling, der Autor von „Die Känguruh-Chroniken“ (welche nun auch auf meine Lesen!-Liste wanderten) karikiert in „Qualityland“ unsere gesellschaftliche Entwicklung auf herrlich amüsante Weise: Social-Media und Online-Nachrichtendienste werden hier aufs Korn genommen, unser Konsumverhalten, Politik, wachsende Digitalisierung und Technologisierung werden hier aufs Köstlichste auf die Spitze getrieben.
Dabei betreibt er unterhaltsamste Wortakrobatik und schöpft literarische Stilmittel (z. B. über die Metaebene) voll aus: der „Weltentwurf“, die Spracheffekte und kreative Wortspiele sind durchaus eines Walter Moers (von dem ich aus genau diesen Gründen großer Fan bin) würdig! 🙂
Die Werbeslogans und manche Redewendungen sind einfach der Knaller (und leider auch manchmal erschreckend treffend!)
Ich habe herzhaft gelacht, so sehr, dass mir der Bauch weh tat. Die Szenen sind teilweise absurd komisch und doch meldete sich immer wieder die innere, leise Stimme, dass wir so weit von dieser (traurigen/erschreckenden?) Realität gar nicht entfernt sind!
Digitale Medien und der entsprechende Komfort, den wir durch die voranschreitende Technologisierung haben, sind aus unserem Leben kaum noch wegzudenken. Doch manche Entwicklungen der Gesellschaft nehmen auch beängstigende Züge an. Da gilt es abzuwägen: wo hört das eine auf, wo fängt das andere an?
Menschen werden durch Maschinen ersetzt, was uns Arbeit erleichtert, aber wie weit können Maschinen uns moralische Entscheidungen abnehmen?
Wenn alles und jeder in ein digitales Bewertungsraster einsortiert wird, schafft das nicht auch immer mehr eine Zweiklassengesellschaft?
Suchergebnisse, Werbung, Nachrichten sind personalisiert. Algorithmen schaffen um uns herum also auch eine Blase.
Wenn unsere Identität, von der das System glaubt, dass wir sind, erst dadurch zu unserer Identität wird? Quasi eine selbsterfüllende Prophezeiung – wo stehen da Freiheit und Entwicklung? Ist da Entwicklung überhaupt noch möglich?
Und was, wenn das System bereits mit „errechneten Vorurteilen “ (also einer Vorannahme) aus statistischen Wahrscheinlichkeiten arbeitet, wie verlässlich ist das? Wenn also die Grundannahmen eines algorithmischen Systems statistisch stimmen, aber Ausnahmen bei sonst statistisch relevanten Zusammenhängen oder aber für uns relevante Werte vernachlässigt werden, eben weil sie statistisch gesehen aus der Berechnung fallen, und uns somit eine Identität zugeordnet wird, die wir gar nicht sind?
„Qualityland“ ist wirklich empfehlenswert.
Der Roman ist eine tolle Mischung aus Gesellschaftskritik, politischer Satire, Humor,
natürlich einer Prise Technik und einem ganz kleinen bisschen Philosophie. 🙂
Auch die Aufmachung fand ich toll: So gibt’s das Buch sowohl in einer schwarzen als auch einer weißen Ausgabe – eine für die Pessimisten und eine für die Optimisten 🙂
Aber auch innen wechseln sich Werbeanzeigen über die neuesten Technik-Trends oder den neuesten Schlagzeilen aus Qualityland (auf schwarzen Seiten) mit dem leise-kritischen Roman (auf weisen Seiten) ab.
Wer nun aber glaubt, die „Werbung“ umgehen zu können, dem sei gesagt: Achtung! Denn auch unterschwellig werdet ihr euch der Thematik nicht entziehen können! Qualityland greift um sich!
Übrigens: Ich finde das Thema ja vor allem gerade auch deshalb sehr spannend, weil ich mich seit einiger Zeit intensiver mit der Blockchain-Technologie auseinandersetze, auf deren Grundlage u.a. auch Kryptowährungen wie Bitcoins und Ethereum aufbauen. Wie der Kryptoexperte Dr. Julian Hosp z. B. im Falle von Smart Contracts immer wieder betont: Es birgt unglaubliche Möglichkeiten, aber eben auch Risiken. Und beides muss bedacht werden!
Wie seht ihr das?
Wäre eine technologisiertere Welt Fortschritt? Oder hättet ihr Bedenken? Was würde es vor allem für unser Sozialleben bedeuten?
Die Känguruh-Bücher am besten als Hörbuch genießen!,,
Kommt viel besser rüber. Nur dann wird auch klar, dass das kaputte Tablett in diesem Buch eine Känguruh-Inkarnation ist.
Ich habe gerade die Känguruh Apokryphen gehört und mich mit der gesamten Familie weggelacht.
Alles Gute
Silvia
Hey Silvia, ok, danke für den Tipp;) Bisher hab ich es noch nicht geschafft, aber ich habe auch gesehen, dass nun die Apokryphen draußen sind. Also muss ich mich wohl bald mal dran machen – lachen tut ja auch immer gut:) Liebe Grüße!
Hach, ich fand das Buch einfach nur Klasse. Ich habe bislang die Känguru-Chroniken (noch) nicht gelesen, aber Qualityland hat perfekt gepasst, nachdem ich sowieso so der Technik-neue-Welt-Early-Adopter-etc. Typ bin 😀
Und der Spiegel, der einem etwas vorgehalten wird, ist in der Tat nicht unpassend. Auch wenn die Story an und für sich relativ seicht und eeeetwas hanebüchen ist, war ich sehr gut unterhalten mit dem Buch. Und äusserst amüsiert 😀
Hallo Chris, da geht es dir wie mir! Ich finde diese Themen in Büchern auch sehr spannend:-) Vielleicht werde ich ja auf deinem Blog noch fündig für weiteren Lesestoff:-) Die Känguru-Chroniken möchte ich auf jeden Fall noch lesen, nachdem der Schreibstil einfach herrlich war, ich erhoffe mir davon auch noch einige lustige Stunden:-) Liebe Grüße, Kathrin