Verlag Komplett-Media | Sachbuch | 2019 | 208 Seiten
„Die Klimakrise ist kein philosophisches Thema. Die Klimakrise ist ein globales Problem und betrifft jeden, unabhängig von seinem Mitwirken. Das bloße Pflanzen von Bäumen stoppt zwar nicht den ganzen Schaden, den wir unserem Klima zugefügt haben. Es ist jedoch eine der kostengünstigsten und schnellsten Lösungen, die uns zusätzliche Zeit verschafft, um mit einer Lösung für das grundlegende komplexe Problem fortzufahren.“ (S. 21)
Felix und die „One trillion tree Campaign“
Greta Thunberg ist mittlerweile ja so gut wie jedem ein Begriff. Doch wer ist Felix Finkbeiner?
2009 demonstrierten 30 Kinder während des Klimagipfels vor dem Bundeskanzleramt in Berlin. Kinder einer Schülerinitiative für Klimagerechtigkeit, die Felix Finkbeiner ins Leben rief.
Bereits im Alter von neun Jahren beschäftigte sich Felix Finkbeiner im Rahmen eines Schulreferats mit der Klimakrise. Das war im Jahr 2007. Daraufhin stieß er auf die „Billion Tree Campaign“ von Wangari Maathai, eine Kenianerin, die u.a. auch Friedensnobelpreisträgerin ist und die die Kampagne, eine Billion Bäume zu pflanzen, um somit etwas für die Umwelt und die soziale Gerechtigkeit (Arbeitsplatzbeschaffung und -bedingungen) zu tun, ins Leben rief.
Die Chance, die im Pflanzen von Bäumen liegt, wirklich auch aktiv etwas gegen die Klimakrise zu tun, überzeugte Felix, so dass er die Idee hierzulande zu den Schülern und Lehrern brachte. Daraus entwickelte sich dann schnell die Schülerinitiative „Plant-for-the-planet“ mit Klaus Töpfer, ehem. Umweltminister, als Schirmherrn. Schon kurze Zeit später trat Felix vor dem Europäischen Parlament sowie den Vereinten Nationen auf, um dafür aufzustehen!
Mittlerweile hat die Bewegung nach dem Tod Maathais die Billion Tree Campaign nicht nur übernommen, sondern zur Trillion Tree Campaign erweitert.
Daneben werden weltweit Kinder und Schüler in den ca 20.000 Plant-for-the-Planet-Akademien ausgebildet, mit dem Ziel sie als Botschafter für Klimagerechtigkeit fit zu machen! Das Aufforstungsprojekt hat weltweit zahlreiche namhafte Unterstützer.
Die Forderung: Deutschland soll klimaneutral werden!
2015 haben sich in Paris die Staaten der Welt darauf geeinigt, die globale Durchschnittstemperatur nicht über die 2-Grad-Grenze zu erhöhen! In der Klausel stand sogar noch die 1,5 Grad-Grenze, die laut momentaner Hochrechnung bereits im Jahr 2030 erreicht worden sein könnte.
Was aber viele gar nicht wissen: dieser Anspruch ist keinesfalls bindend, sondern eine Richtlinie. Und bisher sind kaum ausreichende Maßnahmen getroffen worden, um das angestrebte Ziel umzusetzen. Allerdings: wenn wir so weitermachen, wie bisher, dann werden wir nicht mal die 2-Grad-Grenze halten, sondern eher bei 3-4 Grad landen. Mit fatalen Folgen.
Der momentane pro-Kopf-Ausstoß an Co2-Äquivalenten in Deutschland beträgt ca 8-10 Tonnen (ich habe unterschiedliche Zahlen gefunden), der maximale Verbrauch dürfte (gemessen an der Weltbevölkerung) lediglich bei 2 Tonnen liegen, um die Klimagrenze von 2 Grad zu halten.
Wieviel wärmer ist ein Grad?
Man könnte nun geneigt sein, zu denken, dass 1 Grad mehr oder weniger ja nicht viel Unterschied macht. Jedoch ist hier stets die Rede der mittleren Temperatur weltweit gesehen. Das mag für die eine Nation nicht so sehr ins Gewicht fallen, bei der anderen können es aber evtl. dann gleich 8 Grad mehr sein. Und das macht dann schon einen entscheidenden Unterschied, denn der Lebensmittelanbau ist ja mittlerweile so global verteilt, dass es auch immer Einfluss auf unsere Versorgung hat.
Aber nicht nur Nahrungsmangel, auch Wassermangel, sowie die Ausbreitung von Infektionskrankheiten bei Menschen und Lebensmittelinfektionen durch Mikroorganismen drohen, sowie gewaltige Veränderungen der Ökosysteme und natürlich Klimaflüchtlinge aufgrund von steigendem Meeresspiegel, Dürre/ Hunger, Überflutung/ Stürmen.
Denn was auch viele nicht wissen: die 1,5 Grad Grenze, die im Pariser Abkommen erwähnt wird, kommt nur daher zustande, dass die südostasiatischen Inselstaaten darauf bestanden haben: denn würde diese Grenze überschritten, gehen diese Länder komplett unter im Ozean!
Gefährlich wird es bereits ab der 2-Grad-Grenze, denn dann könnten möglicherweise schon irreversible Rückkopplungen durch Kippelemente im Erdsystem nicht mehr verhindert werden, die einen unkontrollierten Lawineneffekt auslösen könnten. Davon sind mittlerweile 15 Stück bekannt.
Dazu gehören z.B. das vollständige Abschmelzen der Eisschilde Grönlands und der Arktis, und die tauenden Permafrostböden in Sibirien, Alaska und Kanada, welche unzählige Pflanzenreste beherbergen, die beim Auftauen unter Zersetzungsprozessen Milliarden an Tonnen CO2 in die Atmosphäre freisetzen würden.
Es bedarf also eine „schnelle und weitreichende Veränderung, die vor allem die Art wie wir Strom produzieren, wie wir uns fortbewegen, Landwirtschaft betreiben und Lebensmittel erzeugen und uns ernähren und wie Industriegüter produziert werden bei gleichzeitigem Fokus auf regenerative Energien, neuen Technologien sowie verändertes Verhalten eines jeden Einzelnen von uns“. (S.67)
Global denken – global handeln
Bereits jetzt sind die Auswirkungen schon zu spüren.
Ernteeinbußen und Insektenplagen betreffen nicht nur die afrikanischen oder südostasiatischen Länder, sondern auch den Anbau von Lebensmitteln in den USA und Südeuropa. (siehe Buchtipp unten)
Laut einer Studie der Universität Kopenhagen verursacht die Viehwirtschaft allein mehr Treibhausgase als der gesamte Transportsektor (Autos, Züge, Schiffe, Flugzeuge) zusammen.
Für Tierfutter werden riesige Flächen des Regenwaldes abgeholzt und abgebrannt, mit dem nicht nur eine Vielfalt an Pflanzen- und Tierarten mitsterben, sondern auch ein immenser C02-Speicher zunichtegemacht wird – und gleichzeitig Tausende an Tonnen CO2 in die Atmosphäre entweichen.
Die größte Aufforstung der Menschheitsgeschichte oder #Beleaf-it
Bäume sind genial, sie können nicht nur Kohlenstoff binden und den Sauerstoff wieder freigeben, sondern der Kohlenstoff bleibt auch gebunden, wenn das Holz später für Häuser oder Möbel verwendet wird. Dazu sind sie günstig und effizient.
Weltweit könnten wir 1,5 Milliarden Hektar an Flächen bewalden, die nicht für die Landwirtschaft benötigt werden.
Das Aufforstungsprojekt von plant-for-the-planet sieht vor, 1000 Milliarden Bäume (also 1 Billion, daher englisch „One Trillion Tree Campaign“) zu pflanzen. Diese würden jedes Jahr zusätzlich 10 Milliarden Tonnen CO2 speichern. Zwar reicht das allein nicht aus, die Klimakrise abzuwenden, aber es gibt einen Zeitpuffer, um z.B. die Energiewirtschaft auf saubere Energien umzustellen und weitere Maßnahmen zur Reduzierung unserer Emissionen zu unternehmen.
Gleichzeitig sollen bestehende Wälder geschützt und die Abholzung des Regenwaldes gestoppt werden.
Ein toller Nebeneffekt: Da ein Großteil der zu bewaldenden Flächen in Afrika liegen, wird durch Klimagerechtigkeit gleichzeitig Armut bekämpft: durch Schaffung von Arbeitsplätzen. Zudem bringen Bäume auch teils wieder Nahrungsmittel und Rohstoffe für Häuser etc.
Bisher wurden 14 Milliarden Bäume in 193 Ländern gepflanzt (Stand 1.Januar 2019)
Auf der Website www.plant-for-the-planet.org könnt ihr euch rund ums Thema informieren, spenden oder eure eigenen Bäume (per Geodaten und Foto) mittracken lassen.
Jeder kann mitmachen!
(Vielleicht ist das ja auch eine Geschenkidee für euch, Bäume pflanzen (lassen) oder dafür spenden?! Schließlich geht es um unsere Zukunft!)
Das Buch
Das Buch hat mich wirklich total überrascht! Ich hatte es in den Neuanschaffungen meiner Bücherei gesehen, die Initiative Plant-for-the-planet kannte ich jedoch noch nicht.
Wie gut, dass das Buch also auch bei der Entstehungsgeschichte von Plant-for-the-Planet beginnt. Doch wir erfahren nicht nur mehr von den Schülern, die sich für Klimagerechtigkeit stark machen, sondern auch wo weltweit Familien aufstehen und sich an ihre jeweiligen Regierungen und Verfassungsgerichte wenden oder Klimaklagen einreichen gegen besonders starke Treibhausgasemittenten unter den Unternehmen, um dafür zu plädieren, dass Klimaschutz nicht nur politische sondern auch rechtliche Verpflichtung ist, damit die Lebensgrundlage überhaupt geschützt wird!
Anschließend gibt es nochmal einen guten Überblick über den derzeitigen Ist-Stand und Fakten zur Klimakrise, über Kippelemente und welche Folgen jeweils bereits schon entstanden oder noch zu erwarten sind bzw. wären, wenn die Erwärmungsgrenze statt bei 1,5 Grad bei 3 oder mehr Grad läge.
Was würde das bedeuten für die Tiere, für den Ozean, für den Wald und für uns Menschen, für unsere Ernährung, für unsere Gesundheit und nicht zuletzt für eine Gesellschaft, für Wirtschaft und Politik?
Alle wichtigen Punkte werden angesprochen, auch die Themen Klimaflucht und Ressourcenkonflikte. Spannend fand ich auch, etwas über die Manipulationsversuche von Klimaleugnern und die Desinformationskampagne in den USA, die bereits in den 50er Jahren anlief, zu erfahren.
Wo andere Bücher zum Thema nun enden, fängt dieses Buch aber erst an und geht einen Schritt weiter. Es trägt nicht nur zum besseren Verständnis der Zusammenhänge bei, sondern bietet auch gleich noch Lösungsvorschläge. Vorschläge, die nicht vage formuliert sind, sondern ganz konkret!
Dabei beziehen sich die Überlegungen möglichst auf zeitnahe Lösungen. Wo wollen wir im Jahr 2030 stehen? Ja, wo müssen wir sogar stehen, wenn wir unserer Erde nachhaltig helfen wollen? Denn dass sich was verändern muss ist klar! Und die nächsten zehn Jahre sind entscheidend!
Felix Finkbeiner zeigt auch auf, dass die Lösungen eigentlich schon da sind. Es werden verschiedene Projekte vorgestellt, z.B. DESERTEC, wo Strom neben Photovoltaik und Windkraft vor allem durch Sonnenwärmekraftwerke in der Wüste produziert wird, wobei das Sonnenlicht mit Hilfe von Spiegeln gebündelt wird. Dieser Wüstenstrom könnte uns Menschen weltweit weitgehend klimaneutral versorgen. Wie immer stehen dem derzeit noch marktwirtschaftliche Interessen im Weg.
Es werden die 17 Sustainable development goals (SDGs) vorgestellt, die im Rahmen der Agenda 2030 auf dem Gipfel der Vereinten Nationen von allen Mitgliedsstaaten verabschiedet wurden.
Diese Ziele für eine nachhaltige Entwicklung berücksichtigen neben ökologischen Zielen auch die soziale Gerechtigkeit und wirtschaftlichen Fortschritt und: sie erkennen eine Verbesserung der Lebensqualität aller Menschen nur im wechselseitigen Zusammenspiel dieser Bereiche an.
Und natürlich ist das Herzstück des Buchs der Wald, das Projekt der Aufforstung und der damit verbundene hoffnungsvolle Ausblick in die Zukunft.
Das Buch ist wirklich wunderschön aufgemacht, viele farbige Fotos unterstützen das Geschriebene, zudem gibt es immer wieder kleine Einschübe mit Worten von Beteiligten der Bewegung und dazwischen kurze Zusammenfassungen wichtiger Daten zum Nachschlagen.
Fazit
„Wunderpflanze gegen Klimakrise entdeckt: Der Baum!“ ist ein wundervolles Buch, das ein wertvolles Projekt vorstellt, das für Wertschätzung für Mensch und Natur und für Klimagerechtigkeit eintritt. Ein Buch, das aufklärt, die Fakten deutlich auf den Tisch legt und nichts beschönigt, das aber dennoch Mut macht, nach dem Lesen das Gefühl hinterlässt, selbst aktiv werden zu wollen und zu können! Ein Buch, das Hoffnung macht!
Lest es unbedingt!
Buchtipp
Wollt ihr mehr darüber erfahren, wie die Klimakrise sich auf unseren Nahrungsmittelanbau auswirkt und wo bereits jetzt schon Folgen spürbar werden?
Dann kann ich euch noch „Verbrannte Mandeln“ aus dem dtv Verlag empfehlen.
Danke für deinen Tipp. Ich schau bald mal, ob das Buch in der Bibliothek erhältlich ist. Möchte mich ja schon gern noch näher damit beschäftigen. 🙂
Liebst Elisabeth-Amalie von Im Blick zurück entstehen die Dinge
Wie schön, dass dich das Thema auch interessiert! Ich find’s sehr wichtig und es wäre schön, wenn sich noch viel mehr Menschen damit auseinandersetzen würden – schließlich geht es um die Zukunft von uns allen! Liebe Grüße:)
Sehr schöner und wichtiger Beitrag!
Lasst uns Bäume pflanzen 🙂
Jaaaa! 🙂 Danke;)