Rowohlt Verlag | Sachbuch | 2018 | 208 Seiten
Smartphones sind aus unserer Gesellschaft kaum mehr wegzudenken. So gut wie jeder Erwachsene und Jugendliche besitzt eines.
Ich muss ja sagen, dass ich selbst tatsächlich auch erst seit einem Dreiviertel Jahr ein Smartphone habe. Lange dachte ich, ich muss nicht jeden Massentrend mitmachen und ein normales Handy (neben einem Computer zuhause) tut’s doch auch … Aber am Ende hab ich doch nachgegeben.
Und zugegeben: mittlerweile kann auch ich es nicht mehr wegdenken und habe einige Funktionen doch recht gern (Podcasts z.B. 😉 ).
Allerdings: wenn ich draußen bin, habe ich tatsächlich das Handy selten in Benutzung oder manchmal sogar nicht mal dabei, womit ich wohl weiterhin eine Ausnahme bin (daher gibt es auch immer so wenig Fotos bei mir, haha …), aber: es nervt mich irgendwie tierisch, wenn ich irgendwo warte, z. B. beim Friseur oder im Restaurant oder wenn ich mit andren zusammensitze und die Leute immer wieder auf dieses Ding starren oder tippen. Und wenn bei jeder Kleinigkeit das Smartphone gezückt wird.
Aber leider muss ich auch gestehen: mittlerweile ertappe ich mich gerade dann zuhause, dass mein Griff häufiger zum Handy geht als mir lieb ist.
Dass ich da nicht die einzige bin, der es so geht, zeigt ein Blick in unsere Gesellschaft (und in dieses Buch).
Welche Auswirkungen haben denn nun Smartphone und Co?
Wer hat nicht schon einmal während einer Unterhaltung aufs Smartphone gesehen. Für viele Menschen geht der erste Griff nach dem Aufstehen zum Handy und auch der letzte Blick des Tages vor dem Schlafen gehört oftmals dem blauen Display. In jeder erdenklichen Situation folgt der (fast) schon konditionierte, automatisierte schnelle Griff zum Handy. Es begleitet die meisten Menschen überall hin, selbst aufs Klo.
Manchmal mutet es doch schon etwas bizarr an, wenn das schöne Erlebnis (ein Sonnenaufgang oder ein Konzert oder die ersten Schritte vom Baby) mit geteilter Aufmerksamkeit wahrgenommen werden, da es gleichzeitig auf den Bildschirm gebannt werden muss, um anschließend über Social-Media-Kanäle geteilt zu werden, statt einfach den Moment zu genießen. Natürlich: manchmal freue ich mich auch über einen Mitschnitt eines Konzertbesuchers, wenn ich selbst nicht teilnehmen konnte, dennoch lässt diese gesellschaftliche Entwicklung mich auch nachdenklich werden.
Catherine Price beschreibt in ihrem Buch, welche mentalen, sozialen und körperlichen Auswirkungen das Smartphone und ähnliche internetfähige Geräte auf uns haben. Da es sie erst seit etwa 10 Jahren gibt, sind die Zusammenhänge noch nicht besonders gut erforscht, aber bisherige Erkenntnisse weisen durchaus darauf hin, dass ein häufiger Gebrauch unsere Hirnstruktur und auch die Funktionsweise unseres Gehirns verändern. Unsere Fähigkeit Erinnerungen abzuspeichern oder uns zu konzentrieren wird eingeschränkt, unsere Aufmerksamkeitsspanne lässt nach, aber auch ihr Einfluss auf Schlafstörungen, Depressionen und Selbstwertgefühl, Identität und Empathiefähigkeit ist nicht zu unterschätzen.
Obwohl das Handy uns vorgaukelt uns sozial miteinander zu verbinden, macht es doch auch manchmal das Gegenteil. Es beeinflusst uns darin, wie wir miteinander interagieren.
Das sog. „Phubbing“ (von phone und snubbing), also der Umstand, dass während einer Unterhaltung das Gegenüber einfach beginnt, die Aufmerksamkeit aufs Handy zu richten, ist nur eine Variante, mit der sich wohl viele Menschen schon mal konfrontiert sahen.
Die Autorin vergleicht unser Konsumverhalten mit einer Beziehung von der man weiß, dass sie einem nicht guttut und von der man sich trotzdem nicht lösen kann. Sie geht sogar so weit davon zu sprechen, dass es vergleichbar ist mit einer Suchterkrankung. Denn wenn wir unser Handy checken oder ein „Pling“ hören, wird sofort das Belohnungszentrum in unserem Gehirn aktiviert, welches sogleich Glückshormone ausschüttet. Aber auch bei Langeweile und/oder unangenehmen Gefühlen bzw. Situationen dient das Smartphone wunderbar als Ablenkung und Ersatz, der dabei helfen kann dergleichen zu unterdrücken.
Die FOMO (Fear of Missing-Out), also die Angst etwas zu verpassen, wenn man nicht „scrollt“, bekommt mit diesem Medium eine neue Dimension.
Bei der Herstellung und Vermarktung von Smartphone und Apps wird sich all dies zunutze gemacht. Inwiefern, darauf geht die Autorin ausführlich im Buch ein. Da ist es gut, den Handy-Konsum doch mal wieder zu überdenken und zu reduzieren.
Zum Buchaufbau und Inhalt:
Das Buch startet mit einem interessanten Theorieteil über die Auswirkungen von Smartphone, App-Anwendung und Co. auf unser Gehirn und unsere Beziehungen. Und geht dann über in einen Praxisteil mit konkreten Schritten zu einem bewussten Konsumverhalten und zielgerichteten Umgang, welches seinen Höhepunkt in einem 24-stündigen Phasten (Phone-Fasten). Hierbei gibt sie einen Leitfaden für knapp vier Wochen (30-Tage-Programm), der aber natürlich auch nach eigenen Wünschen angepasst werden kann. Ziel ist es, sich auch danach immer wieder einmal bewusste Auszeiten vom Handy zu nehmen und im Alltag bewusster und gezielter an- oder eben abzuschalten. Täglich gibt es kleine Impulse und Achtsamkeitstipps für konkrete Vorgehensweisen.
Darüber hinaus gibt sie weitere Tipps und Adressen zu verschiedenen unterstützenden Tools oder Apps (ja, mit einem Augenzwinkern, z.B. Apps, die einem helfen, das Konsumverhalten zu reduzieren).
Das Buch liest sich flott, die Autorin schreibt ermutigend, inspirierend und nicht mit erhobenem Zeigefinger.
Ein tolles Buch, das ich empfehlen kann, um sich bewusst mit dem eigenen Nutzerverhalten auseinanderzusetzen!
Als das iPhone X für $1,000 auf den Markt kam, hatten sich viele gefragt: Ist das nicht zu teuer? Die Antwort: Nein, es war nicht zu teuer. Ganz im Gegenteil. Das Smartphone ansich hat so viele Fähigkeiten und Gadgets, dass wir praktisch unser Leben darin verbringen können. Es ist Fernsehen, Lesen, Schreiben, Kommunizieren, Nachschlagen, Spielen und Forschen. Es ist sogar Partnerschaftsersatz für einige. Deswegen sind mir Bücher, die einem raten das Handy abzuschalten, sofort suspekt. Sind die neuen Priester der Enthaltsamkeit wirklich ehrlich?
Thorsten J. Pattberg, Autor der Lehre vom Unterschied
Ich bin 53 Jahre alt, besitze ein Smartphone, habe einen Facebook- und einen Instagram-Account – aber ich benutze all das mit Maß und Ziel. Ich finde es zunehmend erschreckend, wie sehr manche Menschen von ihrem Smartphone abhängig sind und wie reale Menschen augenblicklich ausgeblendet werden, sobald der Bildschirm am Handy entsperrt wurde. Eine Facebook- oder WhatsApp-Nachricht ist wichtiger als der Mensch, mit dem ich gerade zusammen bin??
Wenn ich bei Freundinnen bin und deren Kinder während des Essens stur auf ihre Handys glotzen, stellen sich mir die Haare. An meinem Esstisch gibt es keine Smartphones, das ist ungeschriebenes Gesetz. Die gemeinsame Essenszeit ist oftmals die einzige Zeit am Tag, an der man als Familie zusammen sitzt … und da interessieren sich 2 von 3 Leuten mehr für virtuelle Geschehnisse ?? Kranke Welt!
Mein Smartphone steht permanent auf lautlos und geht automatisch abends von 23.00 Uhr bis morgens 08.00 Uhr in den „bitte-nicht-stören“-Modus. Keine Benachrichtigungen, kein Geblinke von irgendwelchen Apps die meine Aufmerksamkeit wollen …… es kommen nur Anrufe von meinem Mann, meinem Sohn und meiner Mutter durch. Ansonsten ist Ruhe.
Leider ist dieser Trend nicht mehr aufzuhalten, es sei denn man setzt sich Grenzen – für sich selbst und im Umgang mit Menschen im direkten Umfeld. Wenn ich dafür auf dem Handy auch noch eine App brauche, mache ich was falsch. 🙂
Liebe Grüße
Babsi
Hallo Babsi! Vielen Dank für deinen Kommentar! Ich stimme dir voll zu. Ich bin 37, kenne also auch noch gut die Zeit, in der es keine Handys gab. Da ist schon ein großer Wandel passiert. Ich finde es super, dass du sehr bewusst und gezielt mit dem Smartphone umgehst! Gerade auch, dass das Essen wirklich Familienzeit ist und der Fokus auf dem Miteinander und den Anwesenden ist, die Handys dabei aus bleiben – das möchte ich auch so handhaben! Liebe Grüße, Kathrin