Mit Trauma wachsen – Mein Weg (Teil 1)
Schon lange liegt dieser Text nun in meiner Warteschleife bereit.
Viele Male war da ein Zögern.
Doch jetzt endlich will ich, dass er rausgeht!
Jetzt ist die Zeit dafür.
Ich bin komplex traumatisiert.
Von meinem 13. Lebensjahr an (heute bin ich 40) war ich in Therapie.
.
Die Traumata waren da nicht vorbei, aber die ersten Symptome zeigten sich bereits.
Ich war in so vielen Therapien, Kliniken und alternativen Behandlungen, dass ich es nicht mehr zählen kann.
Vor allem Verhaltens- und Gesprächstherapien.
Als Mensch habe ich mich selten gesehen gefühlt.
.
Die Traumata wurden stets außer Acht gelassen.
Es ist nicht so, dass ich es nicht versucht habe, zu kommunizieren.
Doch es interessierte nicht, der Blick lag einzig auf der Symptomreduktion.
Eine nennenswerte Veränderung gab es nicht, stattdessen pure Überforderung und ohnmächtiges Alleinfühlen (heute weiß ich: Retraumatisierung).
Die Symptome wurden chronisch, weitere Symptomatiken kamen hinzu, dissoziative Zustände wurden immer mehr.
Es folgte eine Frühberentung.
.
Es dauerte fast 20 Jahre, bis mich eine Person mal vorsichtig darauf hinwies, ob ich schon mal an Trauma gedacht habe.
Doch es brauchte nochmal beinahe 5 Jahre, bis wirklich ein Therapeut mit mir hinsah und das Ganze beim Namen nennen konnte.
.
Es waren vor allem meine Eigenrecherchen und Eigenfortbildungen, die mir Türen öffneten.
Viele Jahre dachte ich, dass mit mir etwas falsch sei.
Niemand erklärte mir zuvor, was ein Trauma ist, was in meinem Nervensystem passiert und warum ich so bin, wie ich bin.
.
Wusstest du, dass das Wissen über Trauma kaum Inhalt im Psychologiestudium ist?
Wusstest du, dass die Diagnosen der komplexen PTBS und der partiellen DIS erstmals in diesem Jahr (Jan. 22) in die ICD-11 aufgenommen wurden?
.
Wie mein Leben wohl verlaufen wäre, wenn da auch nur eine Person traumasensibel, traumainformiert gewesen wäre oder das Wissen über Trauma gehabt hätte?
Trauma – Wenn die Verbindung reißt
Zahlreiche Traumatisierungen und Retraumatisierungen von der frühen Kindheit an bis weit ins Erwachsenenalter summierten und überlagerten sich bei mir und alte und neue Schichten woben einen immer engeren Käfig um mich herum.
Fast 40 Jahre im Überlebensmodus.
Pausen zum Aufatmen gab es kaum.
Mit den ersten Symptomen, ausgelöst durch ein weiteres Schocktrauma, nahm mein Leben schon früh eine Wende um 180 Grad.
Von da an war nichts mehr wie zuvor.
Die Folgen waren einschneidend und lebensverändernd, so dass sich mein gesamtes Leben schon sehr früh von dem anderer unterschied.
Ein Leben im Verzicht.
Verzicht auf Erfahrungen, auf Gemeinschaft, auf Teilhabe, auf Lebendigkeit, auf Schlaf, auf Erholung, auf Schönes.
Ein Leben in Qual.
Ein Leben, in dem ich permanent körperliche Höchstleistungen bringen musste, selbst wenn und obwohl ich kaum noch durchhalten konnte.
An dem ich die meiste Zeit im Alltag an meine existentielle Grenze gehen musste.
Ein Leben, das fremdbestimmt ist.
Um das auszuhalten, musste ich mich viele Male von mir abtrennen.
Wenn die Worte fehlen, wenn die Anbindung fehlt …
So viele Male wollte ich schreien, hinausschreien, doch wie formuliert man etwas, für dass es kaum Worte gibt?
Wie beschreibt man ein Leben, dass so fern ab von dem ist, was sich die meisten Menschen jemals nur annähernd vorstellen können?
Was für die meisten Menschen selbstverständlich ist?
Wie beschreibt man, wie es sich anfühlt?
Das Fremdbestimmtsein, die Isolation, die Einsamkeit,
nicht selbst entscheiden zu dürfen, was ich anziehen werde,
wann ich schlafen gehe,
ja, ob ich überhaupt ins Bett darf,
stundenlanges, nächtelanges Stehenmüssen bei körperlicher Totalerschöpfung,
Dinge tun müssen, die ich nicht tun will,
das permanente Entbehren von persönlichen Dingen – nie das Herz an etwas hängen, denn es könnte jederzeit gleich wieder genommen werden,
kein Fenster öffnen, keine Sonne auf der Haut spüren,
keine Sonne sehen, keine frische Luft atmen …
Und immer wieder Gewalterfahrungen.
Der riesige innere Schmerz.
Keine Sicherheit fühlen.
Kein Ort, an dem es Ruhe gibt, an den ich fliehen hätte können,
nicht mal in der eigenen Wohnung ein sicheres Zuhause empfinden können,
aus den eigenen vier Wänden nie einen Wohlfühlort machen können,
das Zuhause häufig sogar der qualvollste Ort.
Jeder Tag Überlebenskampf.
Jeder Tag Angst.
Eingesperrtsein. In einem Käfig gefangen.
Stundenlange Ohnmacht bis zum Zusammenbruch, wenn ich tun musste, was ich nicht tun wollte.
Und immer wieder traumatische Erfahrungen.
Das Sich-so-anders-fühlen, Fremd-fühlen in der Welt …
Eine endlose Suche nach Verbundenheit, nach Gesehen-Werden, nach heilsamer Verbindung, nach Perspektive, nach Hoffnung …
Kein Ankommen im Leben.
Überwältigung.
Körperlich kaum noch durchhalten können.
Psychisch ohnehin schon nicht mehr.
Die Belastungsgrenzen bei Weitem überstiegen.
Eine dauernde Aneinanderreihung von Grenzerfahrungen.
Wieviel kann ein Mensch, ein Organismus tragen?
Ressourcen – was mich trägt
Und doch – trotz der Schwere habe ich mir immer diesen Lebenshunger bewahren können!
Ich bin eine sehr aufgeweckte, aufgeschlossene und auf das Leben neugierige Person, die sich immer wieder nach neuen Themen ausstreckt.
Ich mag es, mich zu erforschen,
Menschsein zu erforschen.
Ich tauche gerne tief.
Ich arbeite mich in Themen intensiv ein und erarbeite mir ein tiefes Verständnis.
Und dann beziehe ich dieses Wissen auch praktisch in meinen Alltag ein bzw. wende es auf Erfahrungen an.
Ich bin eine, die nicht aufgibt, die nicht nachlässt, zu suchen, nach Wegen, nach mir, nach Entwicklung, nach Verstehen, nach Verbindung.
Die Bücher sind dabei meine größte Ressource.
Mein stetes Interesse daran, mich besser zu verstehen, Menschen und Dynamiken in Beziehungen besser zu verstehen, der Wunsch nach Transformation und echter Verbindung, nach Intimität und Herzensverbindung, treibt mich vorwärts.
Persönliches Wachstum und Spiritualität (Transzendenz des Menschseins) sind für mich wichtige Werte.
Persönlichkeitsentwicklung,
Neurobiologie, Bindungspsychologie,
Psychotraumatologie, systemische Wechselwirkungen,
Tantra und tantrische Lebensphilosophien,
spirituelles Wachstum und das Zusammenspiel von Körper, Geist und Seele,
die Wirkung von Sprache und nonverbalen Signalen,
die Wirkung von Ernährung, Mikronährstoffen und ätherischen Ölen auf Körper, Geist und Psyche.
Die ganzheitliche Wahrnehmung unseres So-Seins.
Das alles zieht mich in der Tiefe. Das sind meine Themen.
Meine Eigenrecherchen führten mich letztendlich zum Kern von allem, was mir keine Therapie bis dahin vermitteln konnte: Bindung und Trauma.