(Links und Nennungen in diesem Beitrag haben keine kommerzielle Absicht)
Der April war ein sehr aufreibender Monat für mich. Er war tränenreich und ich war oft erschöpft. Gleichzeitig wurden sehr viele Selbstzweifel laut.
So gern ich auch Podcasts zur persönlichen Weiterentwicklung höre und auf Instagram und anderen Blogs stöbere – manchmal wird mir der ganze Social-Media- bzw. Selbstoptimierungswahn auch zu viel. Manchmal löst das alles so viel Druck aus, alles perfekt zu machen, noch mehr, noch besser, noch höher …
Kennt ihr das auch?
Dann komme ich in einen Vergleichsmodus: seien es Mütter, die Influencer sind oder andere Vlogger/ Blogger, die erfolgreich sind und ihr Online Business aufgebaut haben und scheinbar alle unabhängig und nur noch auf Weltreise sind. Dann verliere ich mich manchmal selbst aus den Augen, denn in meinem Leben gibt es (schon lange) auch viele Hürden und Herausforderungen, nicht nur als Mutter, die mir sehr, sehr viel abverlangen und viel Kraft, Einsatz und Aufwand kosten. So hatte ich diesen Monat viele Tage an denen ich an meinen Fähigkeiten zweifelte bzw. sie teils gar nicht mehr sehen konnte.
Achtsamkeit, Podcasts und Selbstoptimierung
(oder: eine kritische Auseinandersetzung mit dem Social-Media-Wahn)
Da kamen zwei Achtsamkeits-Challenges gerade zum richtigen Zeitpunkt:
Peter Beer startete ein 7-Tage-Meditationsexperiment. Peter war eigentlich der, der mich dem Thema Achtsamkeit schon vor längerer Zeit näher brachte. Angesichts der Flut an weiteren Podcasts zu ähnlichen Themen hab ich ihn dann wieder etwas aus den Augen verloren.
Schade eigentlich, denn diese Meditationswoche hat mir so gut getan, hat mich wieder mehr geerdet. Nicht nur aufgrund seiner Stimme bei den Meditationen. Ich finde es einfach gut, dass er es schafft, auf das Wesentliche fokussiert zu bleiben. Auf Meditation, Dankbarkeit und vor allem: das Hier und Jetzt. Statt auf das immer-nur-noch-mehr-und-noch-besser-größer-weiter in der Zukunft.
** (So, ich glaub ich muss nun doch nochmal etwas ausholen *lufthol*)
Denn so sehr ich Podcasts liebe und mich gerne mit dem Thema Persönlichkeitsentwicklung beschäftige, muss ich doch auch sagen, dass ich da auch manche Entwicklungen und Tendenzen in dieser Szene (ja, mittlerweile kann man ja eigentlich schon davon sprechen) beobachte, die ich sehr kritisch empfinde.
Denn unter dem Deckmantel der Selbstoptimierung findet da manchmal eher eine Entwicklung in Richtung Egozentrismus statt, statt echter Empathie wird die Ichbezogenheit immer größer. Wenn jede zweite als Networker, Coach oder Influencer arbeitet und sein Online-Business anwirbt und davon wiederum jeder zweite seine Selbstfindungsphase auf Bali (oder noch besser: gar als digitaler Nomade, was für ein mittlerweile inflationär gebrauchtes Modewort!) beginnt (oder fortführt) dann frage ich mich manchmal, wohin es mit unserer Empathiefähigkeit gekommen ist. Und vor allem, was noch echt ist!
Ob es hier wirklich noch um ein besseres Miteinander und einen Austausch geht. Oder vielmehr um den Aufbau eines eigenen „Brandings“ oder Kundenstamms, um einem (Globetrotter)-Lifestyle inkl. Selbstinzensenierung frönen zu können.
Das Pendant dazu in der (Buch-)Bloggerwelt sind die Unpacking-Videos und das Mitteilen der neuesten (Book-)Hauls. Doch geht es da wirklich um einen Austausch? Geht es hier nicht auch vielmehr um die kurzfristige Befriedigung durch Klicks und Likes und dient das Auspacken von lauter Goodies und Schnick-Schnack, Coverkäufen und Sammelboxen mit den x-ten Shirts und x-ten Stofftaschen (mal ehrlich Leute, so viele braucht doch kein Mensch! Und ob gerade diese Stofftasche – aus einem Konsumpaket – dann so der Nachhaltigkeit dient ?*öhhm*), die am Ende doch in der Ecke (na gut, bei manchen wirklich im Sammlerregal) landen, nicht eigentlich nur dem kurzfristigen Glücksgefühl eines Konsumrauschs?
Hach, die Mädels von Little-Years haben mich da mit ihrem Podcast https://soundcloud.com/littleyearsgermany/8-reiseplane-selbstbestimmtheit-vs-leistungsgesellschaft-resilienz so abgeholt.
Nun gut, jede/r darf ja leben wie sie/er mag und so viele Coachings, Produkte etc anbieten oder vermarkten oder kaufen, wie er/sie mag, man muss es ja nicht anschauen oder selbst kaufen…. Trotz alledem macht mich diese Entwicklung unserer Gesellschaft manchmal echt traurig!
Und um nochmal zum Thema Podcasts und Coachings zurückzukommen:
Womit ich echt Mühe habe, und was mir schon sehr oft seltsam anmutet, ist, wenn nur noch in Superlativen geredet wird (Positive Psychologie und Affirmation hin oder her, da geht einfach die Glaubwürdigkeit flöten!) und jedes Ereignis spiritualisiert wird.
Stichwort „Wünsche ans Universum senden“ und die berühmte „Parkplatzwunscherfüllung“…
Da scheint es, als ob die Coachings und Events einfach nur zu einer Art Ersatzreligion mutieren, wo die christlichen Kirchen und andere Religionen heutzutage an Attraktivität verloren haben.
Denn: wenn man genau beobachtet, spielen sich wieder die gleichen Muster ab und gibt es durchaus Ähnlichkeiten.
Anstelle von Lobpreis wird dann einfach der Speaker (und/oder man selbst bzw. die Community) mit Chartmusik bejubelt, die Healing-Events erinnern an Krankenheilungsgottesdienste, bei denen dann schnelle Kurzzeiterfolge als Zeugnisse herhalten müssen (achja, die guten alten Zeiten mit Beinverlängerungen bei Gottesdiensten lassen grüßen…)
Dass das „High-Feeling“ und Erfolgsdenken auf Events, beim Abfeiern in der Masse, eher psychologisch (oder eben genauer: in der Biopsychologie!) begründet ist und aus der Gruppendynamik heraus entsteht und weniger auf dem Coaching oder der „Lehre“ selbst, wird da schnell mal ausgeblendet.
Was das aber auch zur Folge haben kann, z.B. an Druck-, Schuld- und Schamgefühlen, für Personen, die weniger gefestigt sind, finde ich durchaus bedenkenswert.
Da kann man schnell mal in der Masse untergehen und wenn man sich dann entsprechende Diskussions-Gruppen ansieht, dann ist da der Gruppendruck, etwas bestimmtes fühlen zu müssen, doch sehr hoch.
Ich möchte da manchmal wirklich gerne wissen, wie viel an Argumentation da schon der „Blase“ zuschulden kommt und wie viel da wirklich noch echt und reflektiert ist.
Allerdings: wenn dann immer wieder betont wird, dass man sich sein eigenes Schicksal ja ausgesucht hat (da sind wir wieder ganz nah bei „Gott hat einen Plan für dein Leben und wollte genau dies für dich“) dann ist das, wie ich finde, nicht nur (sorry, das muss mal raus!) esoterischer Bullshit (der ja den Glauben voraussetzt, dass man bereits vor der körperlichen Manifestation als ein seelisches Wesen existiert) aus traumapsychologischer Sicht eine sehr gefährliche These.
Und noch dazu hat sie überhaupt keine wissenschaftliche Basis (nunja, es wird ja gern auf pseudowissenschaftlicher Ebene argumentiert).
Aber Leute, ernsthaft? Manchmal macht es mich richtig traurig, wie blind da oftmals einfach der Masse oder den Worten eines „Gurus“, „Influencers“, whatever, hinterhergelaufen wird. Dabei sollte doch gerade hier die kritische Reflektion und Auseinandersetzung im Vordergrund stehen.
Ach, übrigens:
Kennt ihr schon „Qualityland„ von Marc-Uwe Kling? Dann nutze auch ich hier mal die Gunst der Stunde, um meinen Blog mit einem Augenzwinkern zu „vermarkten“ und verlinke euch meine Rezi, denn Marc-Uwe Kling trifft hier den Nagel der Zeit echt auf den Kopf! 😉
Und zum Thema Bedeutungslosigkeit vs. Selbstoptimierungswahn hatte ich ja auch im Monatsrückblick vom März schon einen Podcast vorgestellt, der das Thema auch sehr gut aus sozialphilosophischer Sicht beleuchtet. Allein das Intro ist schon einen Klick Wert!
**
Aber back to topic:
Peter Beers Meditationsexperiment hat den Fokus vom ständigen „Wettbewerbs- und Selbstoptimierungsdruck“ wieder zu mir selbst in den Moment zurückführen können und das tat so gut!
Vielen Dank, Peter!
Meine zweite Challenge des Monats fand via Instagram statt (ja, da sind wir gleich schon wieder bei den zwei Seiten der Medaille von Social Media^^). Und so hab ich bei Muriel Boettger beim Selflove-April mitgemacht. Jeden Tag gab es eine kleine Achtsamkeitsaufgabe von ihr, um sich selbst etwas Gutes zu tun und sich wertzuschätzen. Ich habe es zwar nicht immer geschafft, alles umzusetzen, aber manche Aufgaben waren in der ganzen Zeit des Selbstzweifels wirklich Balsam für meine Seele! Überhaupt mag ich auch ihren Podcast Share&Grow, da ihre Inputs kurz gehalten und trotzdem sehr erfrischend und aufbauend sind!
Passend zu meinem persönlichen Monatsthema kam dann auch noch die Meditation für mehr Selbstliebe von Koala-Mind heraus.
Zitat des Monats
„Es geht nicht darum, dass du weiter kommst als dein Nachbar, sondern als dein gestriges Ich“
(Muriel Boettger im 7-Mind-Podcast-Interview)
Dankbarkeitsmomente
Neben der Zeit zum Meditieren und dem Selflove-April-Projekt und natürlich wieder vielen Herzmomenten mit meiner Tochter (strahlende Augen beim Aufwachen <3, sooo schön!), gab es noch ein paar weitere schöne Momente für mich.
Im April hab ich es nun auch endlich geschafft, meinen Geburtsbericht vom Geburtshaus anzufordern! Zwar kommt er nicht an den wunderschönen Bericht der Doula heran <3, aber trotzdem waren da auch nochmal ein paar bestärkende und aufbauende Worte als Erinnerung für mich drin 🙂
Zum ersten Osterfest (bei frühlingshaftem Wetter und Kaffee und Kuchen 🙂 ) habe ich für meine Tochter (auch wenn sie momentan noch etwas zu jung für die Geschichte ist) ganz spontan das Buch „So hoch der Baum“ gekauft, nachdem ich zufällig eine Rezension dazu auf einem Blog las. Und ich war schon auf den ersten Seiten total verliebt in dieses Buch. Es ist so, so wunderschön aufgemacht!
Für mich selbst habe ich ENDLICH, ENDLICH die Flavia de Luce-Reihe von Alan Bradley bestellt, die schon so lange auf meiner Wunschliste stand (leider gab es sie nicht mehr als Hardcover und Band 9+10 fehlen noch, denn die sind als Taschenbuch noch nicht draußen und einheitlich mag ich es dann doch lieber;) ).
Ich liebe diese Reihe einfach, hatte sie aber immer aus der Bücherei ausgeliehen gehabt (wie die meisten Bücher, die ich lese). Doch manchmal möchte auch ich ein paar Bücher selbst besitzen…
Dann habe ich noch ein Buch über Algen (und mit Rezepten) bei pureraw gewonnen.
Da ich mich schon seit einiger Zeit mal näher mit dem Thema befassen wollte (für die Omega 3- und Jodversorgung, aber auch für Eiweiß sind ja Algen eine tolle Quelle) bin ich schon gespannt darauf!
Habt ihr schon Erfahrungen mit Algen? 🙂


Bücherliebe
Zum Lesen kam ich diesen Monat leider nicht so, wie ich gerne gewollt hätte, so waren es auch „nur“ Sachbücher.
„Babys brauchen Bewegung“ von Ulla Nedebock brachte mir ein paar nette Anregungen zum Spielen mit meiner Tochter.
„Schlaf gut, Baby!“ von Nora Imlau bestärkte mich nochmals in unserem Umgang mit den Schlafgewohnheiten, wie Familienbett und individuelle Schlafenszeit etc. Wenn man sich mit dem Thema allerdings schon auseinandergesetzt hat, bringt es nicht viel Neues mit sich.
„Impfen Pro & Kontra“ von Dr. Martin Hirte. Nachdem mir das Buch von mehreren Personen empfohlen wurde, habe ich mich endlich auch aufraffen können, dieses Thema mit Hilfe des 500-Seiten-Werks nochmals ausführlich anzugehen, und ich muss sagen, dass ich es sehr informativ fand und enorm hilfreich, um nun reflektierte Entscheidungen für uns zu treffen (für die das Buch allerdings nicht alleinige Basis ist)!
„Die Daten, die ich rief“ von Katharina Nocun. Eine intelligente Lektüre zum Thema Datenschutz. Mit hilfreichen Tipps der Autorin, wie man im Netz (und außerhalb) besser vorsorgen kann. Eine ausführliche Rezi findet ihr bei Sigrid Grün
Lest ihr auch gerne Sachbücher?
So, das war es wieder von mir!
Bis zum nächsten Mal!
Liebe Grüße, Eure Kathrin
Hi Kathrin!
Das hört sich ja erstmal sehr traurig an – und dann irgendwie komisch was da alles abgeht 😀
So viele Selbstzweifel sollten doch eigentlich nicht sein oder müssten es zumindest nicht. Grade als du die Unpacking-Videos und das Mitteilen der neuesten (Book-)Hauls (ich weiß immer noch nicht was das heißt) genannt hast … also ich schau mir solche Videos gar nicht an. Überhaupt schau ich mir keine Podcasts an, ich weiß ehrlich gesagt nur dass das Videos sind *g* Vielleicht bin ich zu alt und raus aus diesem ganzen Zeug. Ich frag dann immer meine Kinder, die erklären mir das dann ^^
Aber ich weiß zumindest was du meinst mit: höher, schneller, besser. Diese ganzen Anforderungen an Blogger oder wen auch immer finde ich unmöglich. Es ist mein Blog, mein Leben, ich mach damit was ICH will 😉 Wenn ich es vermassele ist es dann nämlich meine „Schuld“ und nicht die von den anderen.
Ich bin übrigens schon überzeugt dass gute Gedanken helfen, wohin ich die auch immer schicke – ich denke „Gebete“, egal an wen oder was, sind Wünsche an einen selber. Man spricht ja sozusagen mit sich selbst und ja, ich denke man kann sich damit schon selber pushen. Das weiß man ja auch eigentlich, wenn ich mit einer miesen Laune an etwas herangehe oder mit einer guten … das hat schon Auswirkungen. Genauso wie die Ausstrahlung viel ausmacht ob man gut gelaunt ist oder nicht, das merkt man ja schon wenn jemand einen Raum betritt …
Du hast auch geschrieben -Zitat: der ja den Glauben voraussetzt, dass man bereits vor der körperlichen Manifestation als ein seelisches Wesen existiert) aus traumapsychologischer Sicht eine sehr gefährliche These.
Warum das? Interessiert mich wirklich, weil ich so was in der Art schon glaube, wüsste jetzt aber nicht warum das gefährlich ist?
Flavia de Luce mag ich übrigens sehr! Ich hab alle Bände mit großer Begeisterung gelesen und freu mich schon auf den nächsten, der ja bald kommt!
Quality Land ist mir auch schon oft begegnet, auf das Buch bin ich schon sehr neugierig!
Liebste Grüße, Aleshanee
Liebe Aleshanee, vielen Dank für deinen ausführlichen Kommentar! Ach, Hauls sind die Neuzugänge, also, das, was man neu eingekauft hat an Büchern, Kosmetikartikeln etc. Ich selbst folge generell keinen Youtube-Vloggern, aber auf facebook und Instagram bin ich halt doch an der Bücherwelt recht interessiert und da bleibt das nicht aus;) Nur möchte ich eigentlich eher wissen, wie jemand ein Buch im Nachhinein, also nach dem Lesen, fand und weniger, welche Bücher wieder neu reingekommen sind… Und achso, auch die Mama-Bloggerinnen sind halt ein bisschen in meinen Fokus geraten, seitdem ich selbst Mama bin:)
Was die Podcasts anbelangt: es sind übrigens einfach Audios, die man sich anhören kann zu verschiedenen Themen, Bücher, Finanzen, Politik, Kultur, Psychologie etc. Und da ist ja momentan einfach auch ein sehr großer Hype im Persönlichkeitsentwicklungsbereich. Und der wesentliche Teil meines Schreibens bezog sich auf diesen Bereich. Und vielleicht kam das nicht so klar raus: ich habe durch einige Podcasts enorm viel lernen können (gerade auch in der Vorbereitung auf die Geburt z.B.), und sie haben in mir auch sehr gute Veränderungen bewirkt! Daher empfehle ich sie auch gerne hier. Aber es gibt eben aufgrund des großen Hypes auch ein paar Sachen, die ich nicht gut finde und die ich ansprechen wollte. Und natürlich gehe ich mit dir einher: unsere Gedanken und unsere Geisteshaltung beeinflusst unser Tun und unser Empfinden. Keine Frage. Meine Kritik bezieht sich auf das generelle Spiritualisieren. Denn ich sehe das nüchtern: wo unser Fokus und unsere Aufmerksamkeit hingeht, da entdecken wir natürlich auch neue Wege, die zu unseren Zielen passen und wir erreichen eher das Gewünschte. Das ist für mich aber rein rational, auf biologisch-psychologischer Ebene erklärbar und fordert nicht unbedingt etwas „Höheres“;)
Nein, nicht den Glauben an eine vorgeburtliche außerstoffliche Existenz meinte ich, sondern es geht mir ganz konkret um die Aussage, dass jeder Mensch sich das, was er erlebt, schon zuvor gewünscht hat. Sein Schicksal, die Umstände, in die er hineingeboren wird, quasi herbeigesehnt hat.
Gefährlich kann es insofern werden, dass Traumata ja generell zu einer Lähmung und Handlungsunfähigkeit führen bzw. dadurch entstehen, dass man handlungsunfähig war (no fight, no flight). Die These, man hätte sich das Schicksal ausgesucht, impliziert also, man hätte bereits vor der Geburt eine bewusste AKTIVE Entscheidung getroffen, woraus folgt, dass die Verantwortung für das Erlebte alleine zu tragen ist. Nämlich von bei einem selbst.
Traumata sind aber eben genau das nicht! Sie sind keine bewusste Entscheidung. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass den Betroffenen eine Lähmung und eine Handlungsunfähigkeit überkommt.
Wenn Traumata vorhanden sind, die dann auch noch auf zwischenmenschlicher Ebene liegen (also nicht durch Naturgewalten oder ähnliches hervorgerufen), dann wird es richtig tricky, da durch eine Täter-Opfer-Verschiebung Schuldgefühle entstehen, die in eine Verstrickung führen.
Es gibt verschiedene Mechanismen, wie Dissoziation oder Identifikation, um die zugehörigen Gefühlen eines Traumas zu überleben. Bekannt ist z.B. das Stockholm-Syndrom, in dem sich das Opfer mit dem Täter identifiziert, in dem es Verständnis für die Tat aufbringt und gleichzeitig, die eigenen Grenzen immer mehr verleugnet und in die Dissoziationsspirale hineingerät.
Die zugehörigen Emotionen waren ja so überwältigend dass sie lähmten, es gilt sie also wieder aufzulösen, dazu müssen die Emotionen und Grenzen erstmal neu sortiert und entsprechend benannt und zugeschrieben werden, das ist in diesem Fall dann unmöglich.
Stichwort „me-too-Debatte“ (ganz banales Beispiel: einer Frau wird nach einer Vergewaltigung die Schuld zugeschrieben, da sie diese ja mit dem Tragen eines Mini-Rocks herausgefordert hätte. Da sage ich ganz klar: NEIN! Denn niemand darf einfach so Grenzen des anderen überschreiten!)
Also kurz zusammengefasst: Ich verstehe zwar die Intention dahinter, dass diese Denkweise dazu dient, sich auch aus dem „Opferschema“, welches in der Vergangenheit festhängt und blockiert, zu lösen, um wieder handlungsfähig zu werden nach einer Krise.
Das funktioniert meiner Meinung nach aber nur begrenzt. Hier gilt es sehr genau zu differenzieren, ob das eigene Handeln tatsächlich zu einem Umstand beigetragen hat und ein Schuldeingeständnis gefragt ist, oder eben nicht.
Eine Verantwortungsübernahme nach einem Trauma für das künftige Leben ist klar nötig, (aber eben vorwärtsgerichtet und nicht rückwirkend), um eine Krise zu überwinden, aber dies ist eben auch nur dann möglich, wenn das Trauma bereits verarbeitet (behandelt) wurde.
Das Neu-Abstecken von eigenem „Raum“, von Grenzen, von Verletzungen, Sortieren von Emotionen ist erforderlich für das Verarbeiten. Das beinhaltet auch und vor allem das Neu-Sortieren der Emotionen im Bezug auf Handlungsfähigkeit vs. Handlungsunfähigkeit (zum Zeitpunkt des Traumas). Andernfalls kann die Dissoziationsspirale weiter angekurbelt und das Feststecken im Schuld-Scham-Teufelskreis begünstigt werden.
Ich hoffe, das ist verständlich erklärt 😉
Qualityland kann ich dir wirklich sehr empfehlen!:-)
Liebe Grüße, Kathrin
Vielen Dank Kathrin für deine ausführliche Erklärung!
Ich interessiere mich sehr für diese Themen, vor allem um mich selbst besser zu verstehen. 🙂
In diesem Bereich muss man oft sehr sensibel sein – wobei ich finde das man in allen zwischenmenschlischen Bereichen sensibler sein sollte – und die Frage nach der Schuld ist da oft sehr präsent und vielen fällt es schwer davon Abstand zu nehmen. Beim Thema Trauma kenne ich mich zu wenig aus, um darauf näher einzugehen … aber der Glaube ob man nach dem Tod weiterlebt, ob man Wiedergeboren wird und sich „aussucht“, in welches Leben man geboren wird, da hängen so viele andere Themen noch mit dran, das finde ich etwas schwierig das konkret zu definieren. Ich selber bin da jedenfalls noch von nichts 100%ig überzeugt und denke das werden wir auch im bewussten nie wirklich wissen. Wobei ich schon einen gewissen Sinn dahinter sehe, aber ich weiß was du meinst, dass dieses Bild in manchen oder sogar vielen Fällen eher schadet als hilft.
Es gibt für mich zuviele grundsätzliche Probleme in unserer Gesellschaft, die leider immer „von hinten aufgeräumt“ werden als an die Wurzel zu gehen und dort anzusetzen.
Ein aktuelles typisches Beispiel was mir dazu einfällt ist jetzt die neue „Regel“ in den USA, den Lehrern Waffen zu erlauben anstatt am Grundproblem zu arbeiten, nämlich dass bei den Kindern angesetzt und geholfen werden muss, damit erst gar keine Amokläufe mehr stattfinden.
Weißt was ich meine?
In Bezug auf Handlungsfähigkeit sehe ich – für mich – keinen Widerspruch selbst wenn ich glaube dass ich mich selber in dieses Leben reinmanövriert habe – was eben nicht heißt ich hab mir jetzt alles im Detail gewünscht was mir alles passiert ist. Es fordert mich eher raus nach Lösungen zu suchen, mich selbst zu hinterfragen warum ich so bin oder warum ich so reagiere, ohne das aber an einer „Schuld“ festzumachen. Aber das ist ja bei jedem Menschen anders und das ist ja das schwierige dabei. Wie gesagt kenne ich mich im Detail zu wenig aus und kann nur von mir und meiner Wahrnehmung ausgehen und dem, was ich mir selber „zusammen philosophiere“ 😉
Ich kann mich da schriftlich immer sehr schwer ausdrücken ^^ Ich möchte es immer kurz und präzise zusammenfassen während mir 100 Gedanken dazu durch den Kopf gehen …
Zu den Videos von Buchneuerscheinung oder neuen Büchern im Regal, also sowas brauch ich ehrlich gesagt auch nicht. Ich schau mir dann lieber Beiträge zum Lesen an, wo ich kurz überfliegen kann, ob was für mich dabei ist und was es so neues gibt auf dem Büchermarkt. Aber ich bin halt überhaupt auch nicht so der youtube Fan 😀
Allerdings hab ich in letzter Zeit schon einige interessante Videos entdeckt, wie du oben schon anmerkst über Politik, Kultur, oder eben auch die Gesellschaft also über uns Menschen, da muss man halt sehr gut abwägen und mit Abstand dabei sein, wenn man sich sowas anschaut oder anhört. Ich bin ja eh jemand der alles erstmal nicht direkt glaub und hinterfrägt.
Liebste Grüße, Aleshanee
Ja, ich verstehe, was du meinst! Und übrigens geht es mir auch oft so, dass es mir schwer fällt, klar und knapp in Worte zu fassen, was mir durch den Kopf schießt, so dass es beim Gegenüber auch so ankommt, wie man es meint… Typisch wohl für sehr viel Kopfkino;)
Liebe Grüße!